Griechische Spirituosen: Mehr als Ouzo und Metaxa
Von Klaus Bötig | 13.April 2015
Griechenlands hochgeistige Getränkewelt besteht für viele Urlauber fast nur aus Ouzo und Metaxa – und auf Kreta auch aus Raki. Was auf Inseln und Festland sonst destilliert wird, ist aber durchaus eine Forschungsreise Wert.
Gerakari im kretischen Amari-Tal gilt neben Edessa in West-Makedonien als Kirschmetropole Griechenlands. Hier verkauft Wirtin Despina Bolioudaki in ihrem kleinen Pantopoleio, das Café und Gemischtwarenhandlung zugleich ist, neben selbst gekochter Kirschmarmelade und in Zuckersirup eingelegten Kirschen seit Jahrzehnten ihren in Heimarbeit hergestellten Cherry Brandy und bessert damit ihr mageres Einkommen auf. Wie sie haben früher viele Wirte selbst ihre Liköre angesetzt, aber nur noch wenige führen diese Tradition fort – meist mit modischem Limoncello oder wie im arkadischen Agios Petros auf der Peloponnes mit Walnusslikör. Wirt Sotiris auf Kos, der in Düsseldorf Hotelkaufmann gelernt hat, entwickelt besonders viel Phantasie. In seinem Restaurant Elaia an der Haupteinkaufsgasse der Altstadt kredenzt er seinen Gästen sogar den ersten Olivenlikör des Landes.
Ein neuer Mix, der binnen weniger Jahre zu einem der Lieblingsdrinks auch vieler junger Leute überall in Griechenland wurde, ist der >Rakómelo<, der insbesondere aus Kreta und Amorgos stammt. Dabei handelt es sich um einen Raki aus purem Traubentrester, der mit Honig und Zimt versetzt wurde. Er kann heiß oder kalt getrunken werden, gilt warm sogar als gesund. Eine besondere Variante hat Wirt Sotiris auf Kos im Angebot: den >Tsimeni Raki<, dem zusätzlich noch Thymian und dunkle Schokolade zugesetzt sind. Ouzo statt Raki verwendet die Destillerie Sofronios auf Rhodos für ihre Liköre. Sie aromatisiert ihn mit Kaffee oder Zimt. Da schmeckt er fast wie ein weihnachtlicher Glühwein.
Liköre mit viel längerer Tradition werden auf Korfu, Naxos und Chios hergestellt. Ihre Basis ist jeweils ein inselspezifischer Rohstoff. Auf Korfu sind es die im 19. Jh. von den Briten aus China hier eingeführten Zwergorangen Koum-Kouat, die vor allem im Inselnorden angebaut werden. Auf Naxos sind es die Blätter des Zedratbaums, dessen Fruchtschalen das gern in Kuchen verwendete Zitronat liefern. Es gibt ihn in drei Varianten: klar (33%), mit natürlichem Chlorophyll grün gefärbt (30%) und mit Safran gelb gefärbt (36%). Vallindras, eine der beiden Inseldestillen, geht besonders kreativ mit ihm um: In der firmeneigenen Cocktailbar an der Hafenpromenade der Chora werden mit Kitro 20 verschiedene Cocktails gemixt, darunter auch ein Caipikitro. Wer ungern zum Glas greift, verkostet den Kitro hier als Sorbet.
Schon mehr Schnaps als Likör ist schließlich der Masticha von der Insel Chios, der inzwischen auch anderswo destilliert wird, z.B. bei Karonis am Stadtrand des peloponnesischen Nafplio. Seine Grundlage ist das Harz des Mastixstrauches, das auch in der Weltraumfahrt, bei der Reifenherstellung und bei der Parfumherstellung genutzt wird. Sein Geschmack ist ebenso stark gewöhnungsbedürftig wie der des ursprünglich aus Patras auf dem Peloponnes stammenden, fast schwarzen >Tentoura<. Er ist der einzige Likör auf der Grundlage von Brandy. Sein Name stammt schon aus venezianischer Zeit und leitet sich vom lateinischen >tinctura< ab. Seine besondere Note verleihen ihm eine ordentliche Prise Zimt und Nelken.
Auch der Reisende durch die Welt der griechischen Spirituosen kann noch Neues entdecken. Mein neuestes Forschungsergebnis konnte ich im März 2014 auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin verzeichnen. Als einziger Vertreter der im Süden der Peloponnes gelegenen Insel Kythira standen da zwei Karaffen >Fatourada< während einer Foto-Präsentation auf dem Tisch. Niemand konnte mir Genaueres über diesen aromatischen Likör sagen, nur die Rezeptur war angegeben: aus der Traubenmaische destillierter >Tsipouro<, Orangenschale und Zimt. Im Internet fand ich dann den Hinweis, dass er auf der Insel schon seit venezianischen Zeiten getrunken wird. Ich muss doch wieder einmal nach Kythira hin!
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