Dänisches Frühstücksfleisch auf Donoussa
Von Klaus Bötig | 28.Februar 2012
Was fasziniert mich an Griechenland und den Griechen? Viele Mosaiksteinchen geben die Antwort. Ein Erlebnis auf der winzigen Kykladeninsel Donoussa zum Beispiel.
Es war noch in Drachmenzeiten. Ich war auf den Kykladen unterwegs und wie jedes Jahr einmal überfiel mich plötzlich ein Irrsinnsappetit auf Dänisches Frühstücksfleisch in Dosen. Jedes Pantopoleion in Hellas hat es wohl auch heute noch vorrätig. Als mich der Wahn ausgerechnet auf dem winzigen Donoussa nahe dem großen Naxos überfiel, war es daher nicht schwierig, eine solche Dose im spärlich bestückten Regal einer >Alleshandlung< aufzuspüren. Sie stand ganz oben, direkt unter der hohen Decke. Ich zeigte drauf, der alte Ladeninhaber stieg auf einen Hocker, nahm sie vorsichtig zwischen zwei Fingerspitzen, stellte sie sanft auf den Tresen und pustete den Staub fort. Der mit Filzstift handgeschriebene Preis wurde lesbar: 12 Drachmen. Der Herr schüttelte bedenklich den Kopf: „Die Dose muss alt sein. Jetzt kostet sie 240.“
Der Heißhunger hatte mein Denkvermögen zum Erliegen gebracht. Ich zahlte die geforderte Summe, löste den typischen Frühstücksfleisch-Dosenöffner von der Dose und steckte die Blechlasche in den Schlitz. Die Lasche brach, die Dose blieb verschlossen. Ich wandte mich an den Verkäufer. Der holte eine Schere herbei, stieß sie ins Blech und mühte sich, die leicht rostige Dose zu öffnen. Als sein Vorhaben schon weit gediehen war, rutschte ihm die Schere ab, er stach sich in den Finger. Sein Blut tropfte auf mein Frühstücksfleisch. Er fluchte, machte aber weiter, übergab mir zwei Minuten später stolz die geöffnete Dose und wünschte mir guten Appetit. Ich bedankte mich, ging hinaus und entsorgte das Frühstücksfleisch mit Blutsauce auf der nächsten Müllkippe. Immerhin: der alte Herr hatte weder Mühe noch Gefahr gescheut, seinen ausländischen Kunden zufrieden zu stellen. Efcharisto noch heute…
[Der Text wurde erstmals am 3.6.2009 in der Griechenland-Zeitung abgedruckt]
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