Antiker Alltag in den Museen von Zypern
Von Klaus Bötig | 28.November 2012
Archäologische Museen präsentieren meist nur die Meisterwerke der Kunst und Architektur eines Landes. Oft informieren die Exponate ausschließlich über die Pracht der Tempel und den Luxus einer schmalen Oberschicht. Auf Zypern
findet man dagegen auch Ausstellungsstücke, die etwas vom Alltag der einfachen Menschen in Frühgeschichte und Antike erzählen. Die meisten Museen Zyperns zeigen z. B. Terrakotten, die Menschen, Reiter samt Pferd oder Wagen darstellen und so etwas über Kleidung, Frisuren, Transportmittel oder Kriegswaffen einer bestimmten Epoche verraten. Auch Vasenbilder können über vergangenen Alltag Auskunft geben.
Im Zypern-Museum von Nicosia sind in Saal 2 in drei frühbronzezeitlichen Tonmodellen aus der Zeit um 2000 v.Chr. kultische Handlungen plastisch festgehalten. In den Tonmodellen eines Stierheiligtums ist ein Mensch neben einem brusthohen Tongefäß zu sehen, das vor einer Wand steht. In dieser Wand sind reliefartig drei mächtige, sich nach oben verjüngende Pfeiler hineingearbeitet, die über dem Abschluss der Wand als vollplastische Stierköpfe heraustreten. Die Tongefäße scheinen zum Inventar des Heiligtums zu gehören und dienten wohl der Aufnahme von Opferflüssigkeiten wie Öl oder Milch. Das dritte kultische Tonmodell, gefunden in der Nekropole von Voúni, ist eine Schale von 30 cm Durchmesser, die mit 19 menschlichen und vier Tierfiguren bestückt ist. Ein Tor führt ins Heiligtum hinein, das offensichtlich nicht betreten werden durfte, denn eine Figur ist außen an der Schalenwand – an der Mauer des Heiligtums also – emporgeklettert, um einen neugierigen Blick auf die hier vollzogene Kulthandlung zu werfen. Mit dem Rücken zum Tor sitzt auf einem breiten Thronsessel eine besonders große Figur mit eigenartiger Kopfbedeckung. Sie repräsentiert
vielleicht einen Toten, dem zu Ehren die Kulthandlung vollzogen wird. Dem Toten gegenüber befindet sich an der Innenwand der Schale eine halbkreisförmige Opfergrube oder Feuerstelle, an der eine kleine, kniende Figur irgendeine Tätigkeit ausübt. Hinter der Opfergrube sind im Relief drei menschliche Figuren mit Stierköpfen zu sehen, die sich an den Händen halten, von denen Schlangen herabhängen. Sie verkörpern wohl die Gottheiten, die in dieser Kulthandlung angerufen werden. Links und rechts von ihnen sitzen zwei bzw. vier weitere Figuren auf einer Bank. Wie alle Figuren in dieser Schale fallen sie durch außerordentlich lange Hälse und vogelförmige Körper auf – Phallussymbolen nicht unähnlich. Eine Gruppe von fünf weiteren Figuren steht fast in der Mitte der Schale im Kreis; eine davon hält offenbar einen Säugling. Soll er vielleicht wie die vier Stiere,
die in Zweiergruppen jeweils von einem Diener betreut werden, als Opfer dargebracht werden?
Eine ländliche Szene aus der gleichen Zeit ist direkt daneben ausgestellt. Auf einem kleinen Tisch sind drei bäuerliche Tätigkeiten verewigt: Zweimal ziehen je zwei Stiere einen hölzernen Pflug über den Acker, wobei jeweils ein Mensch hinter dem Pflug hergeht. Dahinter hütet ein Mensch ein Tier, offenbar ein Schaf oder einen Widder. Zwei weitere Figuren halten gemeinsam ein siebähnliches Gerät. Solchen Szenen landwirtschaftlicher Tätigkeiten konnte man auf Zypern und anderswo noch bis vor einigen Jahren überall auf dem Lande begegnen – diese jahrtausendealten Arbeitsweisen sind erst in letzter Zeit endgültig untergegangen.
Im letzten Saal des Zypern-Museums zeigen mehrere Terrakotten gebärende Frauen und informieren uns darüber, wie im 6. Jh. v.Chr. Geburten abliefen.
Der kurioseste Fund ist im Archäologischen Bezirksmuseum von Páphos zu besichtigen: das ›Wärmflaschensystem‹ eines wohlhabenden, römischen Rheumakranken. Es handelt sich dabei um tönerne Heißwasserbehälter in der Form deutlich ausgeprägter Gliedmaßen wie Hände, Füße und Knie, die alle paarweise vorhanden sind. Sie waren so ausgemessen, dass man sie genau auf die entsprechenden Körperteile legen und so die Wärme bestmöglich ausnutzen konnte. Finger und Zehen sind so naturalistisch ausgeprägt, dass die Nägel sogar echt wirken. Kein Körperteil wird ausgespart, sogar die Genitalien konnten mit diesem System maßgerecht gewärmt werden.
Beitrag aus: Allgemein | Ihr Kommentar »
...gehe weiter zu:
« Juden auf Korfu | Startseite | Leben in der Steinzeit: Choirokoitia auf Zypern »
Kommentare
Man muss eingelogged sein um einen Kommentar zu posten.