Jannis geht vielleicht von Kreta nach Moskau
Von Klaus Bötig | 25.April 2016
>Du musst realistisch sein, aus deiner Idee mit einer Taverne bei uns im Dorf kann nichts werden!>. Das musste sich Jannis Somarakis vor 17 Jahren ständig anhören. Er ließ sich nicht beirren, verwirklichte seine Idee. Aus dem Keller seines Elternhauses, in einem Bergdorf bei Iraklio auf Kreta, in dem er immer noch mit seinen Eltern, seiner Frau und seinen vier Kindern lebt, verschwanden die landwirtschaftlichen Geräte. Tische und Stühle wurden angeliefert. Im Eingangsbereich entstand die kleine Küche, gekocht wurde nach altem Vorbild auf einem Holzofen. Erfahrung in der Gastronomie hatte Jannis zur genüge, viele Jahre arbeitete er als Servicekraft in guten Hotels und All inclusive-Anlagen. <All inclusive> war auch das Stichwort für seine Taverne. Jeder Gast zahlt das Gleiche (zur Zeit 15 Euro) und kann dafür essen und trinken, soviel er mag. Es gibt allerdings nur Brunnenwasser und Wein aus 12 verschiedenen Fässern. Die Speisen wechseln je nach Saison, absoluter Renner sind sein Hochzeitsreis und die Pommes á la Yiannis, die zur Taverne gehören wie sein riesiger Bart. Der Bart war es auch, der ihm den Spitznamen Papa (Priester) Janni einbrachte. Seiner Taverne gab er bis heute keinen Namen. Für Ihn und seine vielen Stammgäste ist es einfach die Taverne von Kyparissi.
Jannis beließ es aber nicht bei der Taverne. Er gründete 2003 sein eigenes Theater. Diese Idee kam ihm natürlich an einem Abend mit viel Musik und von ihm heiß geliebten philosophischen Gesprächen. Noch im selben Jahr begann er damit, an einem Weinberg außerhalb des Dorfes die Rebstöcke zu roden und nach antikem Vorbild ein Amphitheater zu bauen. Ein Name war schnell gefunden, das <Theater auf dem Feld>, Theatro ton Agron. Ein Jahr nach der Idee tanzten auch schon die ersten Menschen auf seinem Acker. Viele Theateraufführungen wurden hier nicht inszeniert, denn schnell war ein anderer Schwerpunkt gefunden. Anstatt schwerer Kost gab es moderne griechische Live-Musik und berauschende Feste, stets begleitet von seiner Dorfküche auf höchstem Niveau. Die Gäste wurden immer zahlreicher, und so vergrößerte Papa Janni jedes Jahr sein Theater. Neben kleinen unbekannten Künstlern der Insel kamen nun auch die großen Namen der griechischen Musikszene.
Jeder Erfolg bringt einem aber nicht wohl nur in Griechenland Neider. So verging fast kein Abend im Theater, kein Monat in der Taverne ohne Kontrollen. Jannis hat sie alle ertragen, auch die Anzahl der Feuerlöscher stimmt nun mit den Gesetzen überein. Nicht nur die Gäste, auch das Gesundheitsamt konnte er von der Reinheit seiner Speisen überzeugen. Das Finanzamt ist mit seinen Rechnungsbelegen und seiner Buchführung einverstanden. Nur einmal hat ihn die griechische GEMA während einer Vorführung festnehmen lassen, um eine Forderung von 2,98 Euro durchzusetzten. Auch dieses Thema ist nun abgehakt. Zumindest für die GEMA und die Polizei. Für den Gastronomen jedoch nicht. Er sei durch diesen ganzen Druck nicht mehr derselbe, der er einmal war, sagt er. Und stehen bleiben will er nicht, er will neue Ideen verwirklichen. Aber er sieht, dass Griechenland und die EU Menschen mit Innovationssinn Steine in den Weg legen.
>Wenn man zu etwas Neuem aufbricht, darf man nicht fragen, was man zurücklässt>, sagt Jannis heute. Und er bricht auf, beginnt etwas Neues. Ab Mai wird er vielleicht in Moskau, der Heimat seiner Frau Anna, eine Taverne in seinem kretischen Stil eröffnen. <Wahrscheinlich werde ich dort Schutzgelder an die Mafia zahlen müssen>, hat er erkannt, >aber anders als der griechische Staat wird die wohlwollend eine Hand über mich halten<.
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