Porträt: Angelos will Weltbürger werden
Von Klaus Bötig | 20.März 2016
Angelos traf ich im Februar 2016 beim Vrettos in der Athener Plaka. Wir haben uns ausgiebig unterhalten - hier das daraus entstandene Porträt:
Angelos T. , vollbärtig und fast stets freundlich lächelnd, hat mit seinen 33 Jahren schon viel von der Welt gesehen. Geboren und groß gezogen wurde er in der Argolis, in Porto Heli im Südosten der Peloponnes. Gleich nach dem Abitur hat er das Weite gesucht, in Siena Italienisch gelernt und zwei Winter lang in Chania auf Kreta Buchhaltung studiert. Dann wurde ihm klar: “Ich muss meine Träume realisieren”. Also heuerte er auf einem Tanker an, befuhr sieben Monate lang die Weltmeere. Aber das war nichts für ihn - eine viel zu nüchterne Welt für den bekennenden Romantiker.
Also beschloss er, erst einmal dem Mainstream zu folgen und sich eine im Sinne der Eltern ordentliche Arbeit zu suchen. Eine Baufirma stellte ihn als Organisator ein, eine Vielzahl von Stunden musste er wartend auf Bauämtern und in anderen Behörden verschwenden. Zum Reisen kam er kaum noch, nur Kurztrips nach Bulgarien und Rumänien waren ihm möglich. Er fühlte sich wie in einer Sackgasse und änderte wieder einmal sein Leben. Ein Jahr lang studierte er Internationales Management. Dann war er frustriert genug, um alles hinter sich zu lassen. Er kaufte sich ein One-way-Ticket nach Thailand, bereiste auch Laos, Vietnam und andere Nachbarländer.
In Bangkok kam er schließlich angesichts des vielfältigen Angebots an schönen Stoffen auf die Idee, eines Tages billige Textilien von guter Qualität nach Griechenland einzuführen. Das Lernen gewohnt, flog er aber zunächst einmal nach Manchester, um sich von einem griechischen Freund in der einstigen britischen Textilmetropole in die internen Geheimnisse dieses Metiers einarbeiten zu lassen. Vier Monate später kehrte er schließlich in seinen griechischen Heimatort, nach Porto Heli, zurück und eröffnete dort 2008 ein Geschäft mit exklusiv importierten Textilien.
Die Geschäfte liefen von Anfang an gut. Schon nach einem Jahr stieg Angelos in den Großhandel ein, erzielte gute Gewinne. 2011 platzten die ersten Schecks von griechischen Kunden. Angelos wuchsen die ersten grauen Jahre und schon nach wenigen Monaten war ihm klar: “Mein Traum ist geplatzt”. Als Einzelhändler hielt er noch ein paar Monate länger durch, dann zwangen ihn stetig steigende Steuern und Sozialabgaben zur endgültigen Aufgabe.
Angelos sah darin auch etwas Gutes: “Mir wurde klar: Ich muss mein Studium des Internationalen Management fortsetzen!” Das tut er nun gerade, hat nebenbei auch noch Kurse in europäischer Kultur und Geschichte belegt. Er holt sich Couchsurfer aus aller Welt in seine kleine Wohnung, reist auch selbst Couch surfend durch Europa, und bietet auf Englisch kostenlos Führungen für interessierte Urlauber durch sein Athen abseits gängiger Touristenrouten an.
Was beruflich aus ihm werden soll, weiß er nicht so recht angesichts der Arbeitsmarktlage in Griechenland. Ob er Probleme habe, frage ich ihn. “Wenn ich an die syrischen Flüchtlinge denke, werden all meine Problemchen null und nichtig”, antwortet er. Nur eins ist ihm ganz klar: Wenn er eine gute Zukunft haben will, muss er aufhören, sich als griechischer Bürger zu fühlen - und stattdessen Weltbürger werden. Dass, meint er, würde auch den meisten seiner Landsleute gut zu Gesicht stehen.
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