Porträt einer jungen Griechin: Der Sommer wird der Psyche helfen
Von Klaus Bötig | 10.Mai 2016
>Geldmangel isoliert<, stellt Celia fest. Die 35-jährige, geboren in der Region ums westgriechische Preveza, ist wie so viele ihrer griechischen Altersgenossinnen arbeitslos und kann kaum noch ausgehen. Dabei fing alles so gut an: Super-Abitur mit 18, anschließend Psychologiestudium in England. An den ersten Morgen dort erinnert sie sich schaudernd noch gut: >Als ich in Lancaster morgens um 10 erwachte, war es draußen so dunkel, als wäre es schon bald wieder Nacht. Aufs Tageslicht hab’ ich vergeblich gewartet.< Lange hielt sie durch, jobbte und betreute Kinder. Eine Anstellung als Psychologin ergatterte sie trotz guter Examensnoten nicht. Bekam, wie sie sagt, schließlich aus Sonnenmangel Depressionen und des englischen Essens wegen Hautprobleme. Litt darunter, dass viele Briten in ihrem Land lebende Griechen grundsätzlich als Wirte und Kellner oder gar Putzhilfen einstuften. Und ging 2013 endgültig nach Griechenland zurück. Bald lernte sie einen griechischen Musiker kennen, zog mit ihm die Mittelmeerküste Richtung Westen entlang. Das war eine gute Zeit. Doch die Beziehung ging in die Brüche - auch, weil sie ihm zwangsläufig auf der Tasche lag. Sie kehrte nach Athen zurück. Noch einmal zurück in die Provinz nach Preveza? Nein, das kam für Celia nicht in Frage.
Hier in Athen ist Celia arbeitslos. Arbeitet als Kellnerin in Cafés und Bars, verdient 30 Euro pro Nacht, wenn der Chef am Monatsende nicht den Lohn verweigert. Manchmal gibt sie auch ein wenig Englischunterricht, denn sie spricht die Fremdsprache nahezu akzentfrei und perfekt. Ihr kleines Apartment in Katechaki teilt sie sich mit einer Bekannten. Auf Bewerbungen als Psychologin bekommt sie meist gar keine Antwort. Einmal hat sie sich auch auf eine Anzeige hin als Rezeptionistin in einem Hotel beworben. Doch der Boss stellte gleich klar, dass Rezeptionistinnen immer auch seine Geliebten seien.
Evangelia, so der unangepasste griechische Name der jungen Frau, ist hoffnungsarm, hat trotzdem aber Ideen für ihre Zukunft. Vielleicht kann sie Flüchtlingen auf Lesbos helfen. Doch wovon soll sie dort leben? Oder in Spanien Medizin studieren. Doch wer bezahlt es? Oder Schauspielerin werden. Wann immer sie Zeit hat, nimmt sie ein wenig Schauspielunterricht, 75 Euro pro Unterrichtseinheit. Professionelle Fotos hat sie schon anfertigen lassen. Aber sie weiß: Auch viele griechische Schauspieler verdienen kaum mehr als 200 Euro im Monat, performen als Hobby.
Auch von der großen Politik ist sie enttäuscht. Nach der Missachtung des Ergebnisses der Volksabstimmung im letzten Jahr durch Alexis Tsipras sei die Moral der Griechen im Keller. Auch über einige Mitmenschen ist sie entsetzt: >In der Krise zeigt sich deutlich, wer ein guter Mensch und wer ein Malaka (Wichser) ist. Die Leute offenbaren jetzt ihr wahres Gesicht! Früher waren wir Griechen ein warmherziges Volk. Jetzt hat die Krise manche von uns kalt und selbstsüchtig gemacht! >But I want to be good<, konstatiert sie.
Jetzt muss sie erst einmal von dem wenigen, was sie verdient, noch ein paar Euro zurück legen. Im Sommer will sie nämlich wieder nach Anafi fahren, auf die kleine Kykladeninsel gleich neben Santorin. Und dort wie Hunderte anderer junger Griechen wochenlang am Strand wild zelten. >Auch da werde ich keinen Job finden, keinen festen Boyfriend, kein Geld. Aber ich werde unter lauter Leuten sein, denen es genauso geht. Da isoliert der Geldmangel nicht, sondern schmiedet zusammen.<
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