Reise-Tagebuch Griechenland: 8. Juli 2015
Von Klaus Bötig | 8.Juli 2015
07:00 Uhr: Früh aufgestanden. Das Hotelhündchen liegt vor meiner Terrasse, die Sonne kommt gerade über dem Hügelkamm heraus. Bezahlt habe ich gestern Abend schon, mit Kreditkarte. Der Wirt nimmt sie problemlos an. Er könne von seinen Gästen ja nicht Barzahlung verlängern, sagt er. Aber er schaudert beim Gedanken an eine Bankenpleite: dann ist all das Geld, dass er in den letzten Wochen via Kreditkarte eingezogen hat futsch, fürchtet er. Und dann ist er wohl Pleite…
07:30 Uhr: Frühstück gibt es hier erst ab 8.30, aber ein griechischer Kaffee wird mir schon gebrüht. Auf dem Boden des Pools vagabundiert der Reinigungsroboter herum, auf seinem schwimmenden Kabel kauert eine Art Riesenheuschrecke und lässt sich von einem ertrunkenen Insekt zum nächsten tragen.
09:00 Uhr: Nes und Toast in Mykene. Das Dorf ist immer noch nicht schöner geworden. Mindestens drei Tavernen haben dicht gemacht, die einzige “Cocktail-Bar” auch. Das Hotel und die Pensionen haben kaum Kundschaft.
19::00 Uhr: Mythos vom Fass am Hafen von Loutraki. Der Strand ist voll mit vielen
Griechen und ein paar Russen. Ich habe heute eine lange Autofahrt über vier Hochtäler hinter mir: Archea Nemea (Tempel und Rebgärten), Nemea (Wein), Stymphalia (See mit viel Röhricht) und Feneos (große Felder mit Getreide, Mais und Hülsenfrüchten, Walnüsse, Obst, Kichererbsen, Bohnen). Außerdem war ich noch in mehreren Bergdörfern im Kyllini-Gebirge. Überall massenhaft schöne Tavernen und viele von der EU mitfinanzierte traditionelle Hotels und Pensionen. Alle Tavernen und Unterkünfte waren geschlossen. Nicht wegen der Krise, sondern wegen des Sommers. Da fährt man lieber ans Meer. Doch auch im Winter kommen nur noch wenige Gäste: wegen der Krise, denn immer weniger Hellenen können sich ein teures Winterwochenende leisten.
21:45 Uhr: Wieder am Hafen, frischen Kalamar (nicht diese unsäglichen Kringel) und Römersalat bestellt. Vorher Ortsrundgang, Aktualisierungsrecherchen für meine Reiseführer, Gespräche. Vor die National Bank hat ein benachbarter Wirt etwa zehn seiner Stühle als Wohltat für Wartende aufgestellt. Nette Geste!
21:55 Uhr: Der Salat kommt. Auf meine Nachfrage hat mir der Wirt zwei höllisch scharfe Chillischoten dazugelegt, wie man sie eigentlich nur Zuhause isst. Mehr als eine Geste: eine Tat! Er sieht mein strahlendes Gesicht und bringt auf einem kleinen Teller noch zwei…
22:30 Uhr: Das war der beste frische Kalamar meines Lebens. Flach wie ein Wiener Schnitzel, aber unpaniert, im Stück mi Flügeln, nur die kurzen Saugnapfarme im Ganzen extra daneben. Traumhaft! Wo? In der Ouzeri Ta Pende Adelfia am Hafen von Loutraki.
22:45 Uhr: Am Tisch nebenan sitzt ein einzelner Grieche, ca. 40 Jahre alt. Ein guter Freund ist vor einigen Tagen gestorben, er kümmert sich um dessen Eltern. Sie waren mit ihm vor einigen Jahren hierher gekommen, weil sie den Ort für einen guten Alterssitz hielten. Weil sie also keine Einheimischen sind, mussten sie für das Grab 12180 € berappen, während Einheimische ca. 3000 € zahlen. Dafür steht Ihnen das Grab für 3 Jahre zu. Wollen sie die Gebeine dann noch nicht rausholen, müssen sie pro Jahr 500 weitere Euro berappen. 6090 sollten Sie sofort zahlen. Weil sie das Geld erst besorgen mussten, musste der Sohn drei Tage im Kühlschrank liegen Originalton griechischer Erzähler). Und das Grab mussten sie auch noch selbst ausheben, weil der dafür zuständige Gemeindeangestellte gerade krank war.
Mein Nachbar sagte, er wolle als Leiche in ein Krematorium in Bulgarien gebracht werden (in Griechenland sind sie wegen der “leiblichen Auferstehung” verboten). Dann möchte er in einer Urne reimportiert und im Garten seines Hauses oder notfalls auch im Küchenschrank gelagert werden… Der Grieche, der das erzählte, ist in North Carolina aufgewachsen….
23:15 Uhr: einige kluge Griechen müssen nur jede zweite Nacht zum Geldautomaten gehen, um ihre Tagesration von noch 60 Euro zu bekommen. Einmal kurz und einmal kurz nach Mitternacht… ich gehe stattdessen schlafen. Morgen geht’s weiter nach Athen. Ab 14 Uhr deutscher Zeit werde ich von dort berichten.
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