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2014 auf Ithaka

Von Klaus Bötig | 22.Juli 2014

Ithaka leidet. Die Insel hat zwar einen prächtigen Naturhafen, in dem einst schon Heinrich Schliemann und Lord Byron schwammen. An ihm liegt auch die Inselhauptstadt Vathi. Doch Fähren legen hier nicht mehr an. Die Verbindung zum internationalen Fährhafen Patras wurde eingestellt. Die Schiffe, die jetzt noch Fahrzeuge und Passagiere bringen, kommen von Poros und Sami auf Kefallonia, von Zakinthos und aus Kyllini auf der Peloponnes oder Astakos in Ätolien-Akarnanien – zwei Häfen, die kaum ein ausländischer Griechenlandbesucher auf seiner Kopfkarte hat. Und sie laufen nur den winzigen Kai von Pisoaetos an, wo es nicht einmal einen Ort gibt und die Winde den Kapitänen oft Schwerstarbeit abverlangen. Zweiter Inselhafen ist Frikes im äußersten Nordosten. Den steuern kleine Autofähren von Vassiliki auf der Nachbarinsel Lefkas an, die ja auch auf dem Landweg erreicht werden kann.

Gleich über dem Anleger von Frikes neben dessen kurzen Kieselstrand künden Windmühlenstümpfe von einer besseren Zeit. Vor 200 Jahre ernährte Ithaka noch 12.000 Bewohner. Heute sind auf dem ganzen 94 km² großen Eiland gerade noch 3231 Menschen gemeldet. Die zahllosen Terrassen an den Berghängen verfallen, in den Dörfern stehen viele Häuser leer oder werden nur noch im Hochsommer bewohnt. Ausländische Touristen kommen auch wegen des Fehlens eines Flughafens kaum, Griechen nicht mehr in gewohntem Umfang, seitdem die Krise und deren Behandlung das Geld haben knapp werden lassen. Wer jetzt noch ein wenig Geld in die Kassen von Tavernenwirten und Geschäften spült, sind die Jünger des Odysseus: Segler mit ihren Yachten und Bildungsbürger mit Homer im Gepäck oder gar im Kopf.

Wo stand der Palast?

Die Existenz eines realen Odysseus mag man mit Fug und Recht bezweifeln. Dass aber auf Ithaka in der Antike ein Heroe mit diesem Namen verehrt wurde, steht fest. Wissenschaftlich gesehen ist das unscheinbare Fragment einer tönernen Frauenmaske aus dem 2./1. Jh. v.Chr. im kleinen Archäologischen Museum von Stavros im Inselnorden der wichtigste Beweis dafür. Es wurde in einer Höhle bei Stavros gefunden und trägt die Inschrift EYXHN ΟΔΥΣΣΕΙ, was so viel bedeutet wie >Dem Odysseus geweiht<. Wissenschaftlern reichte das nicht. Britische Archäologen legten in den 1930er Jahren nahe dem Fährhafen Pisoaetos auf einem Hügel die Überreste der antiken Stadt Alalkomene frei, die von etwa 1400 v.Chr. bis in römische Zeit hinein besiedelt war. Den Palast des Odysseus fanden sie dort nicht. Hobby-Archäologen haben sich des Themas angenommen. Manche vermuten seine Spuren direkt unter dem Archäologischen Museum von Stavros, wo der niederländische Archäologe Carl Wilhelm Vollgraff einst ein paar Scherben fand. Andere vermuten ihn an einer früher >Schule des Homer< genannten Stelle. Letztere haben 2013 auf dem Dorfplatz von Stavros sogar ein fotogenes Modell des Odysseus-Palastes im Maßstab 1:50 in einer Vitrine unter modernem Schutzdach aufgestellt. Da findet sich zudem schon seit Langem eine Büste des homerischen Helden und seit geraumer Zeit eine Tafel mit der Route seiner Irrfahrten.

Wandern auf Odysseus Spuren

Wer sehen will, was auf der Insel sonst noch alles mit dem listigen Seefahrer in Verbindung gebracht wird, schließt sich am besten einer der halbtägigen Wanderungen an, die die in Stavros lebende Niederländerin Ester van Zuylen außer im Juli und August fast täglich anbietet. Um ihre Kleingruppen führen zu können, macht sie die Wanderpfade in jedem Frühjahr wieder eigenhändig begehbar – die Gemeinde hat weder Geld noch Verständnis dafür. Sie zeigt ihnen die >Schule des Homer<, wo neben einer Kirchenruine und Grabplatten aus dem 19. Jh. einige Mauerreste aus dem 6./5. Jh. v.Chr. zu sehen sind. Auf der Felsterrasse unterhalb der Kapelle erkennt man nebeneinander zwei rechteckige Nischen, noch eine Terrasse tiefer einen Brunnen und einen antiken Sarkophag. Wiederum etwas tiefer steht noch die Ruine eines antiken Brunnenhauses. Im 19. Jh. entwickelten Antikenschwärmer nicht nur die Idee, dass Homer hier einst gelehrt haben soll, sondern sogar die, dass er hier durch das Wasser aus dem Brunnenhaus sein Augenlicht wieder erlangte. Ausgrabungen der Universität von Ioannina konnten dafür keine Beweise erbringen.

Im Süden der Insel wird die Phantasie noch stärker gefordert. Da gilt die Bucht von Dexia als >Port of Phorkys<, in der die korfiotischen Phäaken Odyssseus samt reichen Geschenken absetzten. Die versteckte er dann zunächst in der Nymphengrotte, die noch vor 15 Jahren touristisch gut erschlossen war. Das alte Kassenhäuschen und die aufgestellten Ruhebänke gammeln jetzt vor sich in, der Zutritt zur Grotte ist lebensgefährlich. Mit einer starken Taschenlampe kann man sie jedoch zumindest von Außen etwas ausleuchten und dann weiter wandern zu den Ställen des Eumäos, jenes Schweinehirten des weitgereisten Königs, der ihm immer die Treue hielt und von dem er erfuhr, welch schändliches Treiben die Freier der vermeintlichen Königswitwe Penelope veranstaltet hatten. Seine Schweine soll er an der ausgeschilderten Arethousa-Quelle in einer Steilwand über dem Meer getränkt haben, selbst hauste er in einer ungemütlichen Felsgrotte, die ein inzwischen abgebrochener Wegweiser jetzt als >Evmaiou Cave< ausweist.

Grandiose Natur

Sehr viel eindrücklicher als die Relikte aus grauen Vorzeiten ist die Schönheit der ithakischen Landschaft, in die sie eingebettet sind. Die 24 km lange Insel ist deutlich zweigeteilt. An der Nahtstelle zwischen Nord und Süd wird sie von einem lediglich 620 m breiten Isthmus zusammen gehalten. Er ist ebenso gebirgig wie die beiden Hälften, die im Norden bis auf 796 m, im Süden bis auf 669 m Höhe ansteigen. Zum Meer hin fällt die Insel meist steil ab; die Küsten sind deshalb nur an wenigen Stellen besiedelt. Kein Sand und Kiesel trübt das Meer, das Wasser schillert unmittelbar vor den Steilufern und wenigen eingestreuten Stränden in einer Vielzahl von Blau-, Grün- und Türkistönen. Immer wieder eröffnen sich neue Blickwinkel auf das benachbarte, sehr viel größere Kefallonia, an das sich die Westküste Ithakas fast anzuschmiegen scheint, und auf das Festland, dem hier viele unbewohnte Inselchen vorgelagert sind, von denen der Emir von Qatar 23 in Erbpacht nehmen möchte - für jeden seiner legalen Söhne eine. Nach Atokos, dem größten unbesiedelten Eiland zwischen Ithaka und Festland, finden im Sommer von Vathi und Frikes aus jeweils mittwochs sogar Bootsausflüge statt. Nisomanen und leidenschaftliche Inselsammler sollten sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.  1018

Ithakas meist menschenarme Strände liegen nur selten direkt an Asphaltstraßen. Manche erreicht man über raue Pisten, andere nur zu Fuß oder mit dem Boot. Wasser und Sonnenschirme sind fast überall mitzubringen, Beach Bars sind selten. Das Badevergnügen ist gut mit Wanderungen zu kombinieren: So zum Beispiel von Vathi aus zunächst auf Asphalt bis zum grün umhüllten Mnimata Beach, dann auf Feldweg bis zum von zahllosen Bäumen beschatteten Skinos Beach und schließlich auf Wanderpfaden zum langen Gidaki Beach, einem weißen Kieselstrand mit türkisfarbenem Wasser. Zurück geht es dann landeinwärts an der Kuppe des 244 m hohen Vingla vorbei nach Vathi.

Vathi ist ein schönes Städtchen, obwohl seine historische Bausubstanz beim großen Erdbeben von 1953 nahezu vollständig zerstört wurde. Seine oft farbenfroh gestrichenen Häuser ziehen sich über mehr als zwei Kilometer am inneren Ende der Bucht entlang und klettern zögernd auch die Hänge hinauf. Wo die Yachten festmachen, haben Tavernen und Cafés ihre Tische und Stühle direkt ans Ufer gestellt. Italienisch angehauchte Restaurants bedienen ihre internationale Klientel, während die Grilltavernen an der kleinen Platia abseits des Ufers vor allem mit Fleisch punkten wollen. Selbst Kokoretsi, die in Darm gewickelten Innereien von Lamm und Zicklein, sind da täglich auch im Hochsommer zu haben.

Noch idyllischer als Vathi aber ist ohne Zweifel Kioni am Ende aller Straßen im Inselnorden. Da ist die Uferpromenade fast autofrei, hat das Erdbeben kaum Schäden angerichtet. Mühlen überragen das blütenreiche Dorf, eins der Häuser an der Bucht ist sogar über 500 Jahre alt. Ein Juwelier aus Patras hat den Natursteinbau in den wohl schönsten Schmuckladen der Ionischen Inseln verwandelt und selbst die historische Weinpresse im Haus in sein Atelier eingebunden. Seine kunstvollen Objekte sind schon ab 15 Euro zu erwerben – auch er muss sich wie alle Ikarioten an die >Krisis< anpassen.

INFOS

Website: www.ithaki.gr

Fährfahrpläne: www.ionionpelagos.com, www.kefalonianlines.com

Hotels: www.hotelmentor.gr, www.odysseyapartments.com, www.perantzadahotel.com

Wandern: www.islandwalks.com

Bootsausflug Atokos: M/V Albatros, Tel. 6973467977

Reiseführer: DuMont-Reisetaschenbuch Korfu & Ionische Inseln von GZ-Autor Klaus Bötig (2012)

Karten: Cephalonia-Ithaca, Anavasi-Verlag 2014, Ithaka 1:25.000, www.anavasi.gr

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