Inseln der Nordost-Ägäis im Überblick
Von Klaus Bötig | 6.April 2013
Jede der Inseln in der nordöstlichen Ägäis hat ihre markante Eigenart. Lesbos ist Griechenlands drittgrößte Insel, nach Chios locken die einzigartigen Mastix-Dörfer. Samos ist für seinen Wein berühmt, Ikaria für seine Wildheit. Auf jeder dieser Inseln kann man einen langen, abwechslungsreichen Urlaub verbringen. Fähren und Flugzeuge verbinden sie auch untereinander. Von Deutschland aus ist im Direktflug zu erreichen.
Samos
Als Messwein standen süße Tropfen von Samos auf vielen Altaren. Die Winzer haben sich umgestellt, produzieren jetzt erstklassige trockene Weine aus ihren Muskat-Trauben. Samos geht mit der Zeit und bleibt sich doch treu. Seine vielen traditionellen Bergdörfer werden noch immer von etwa 5000 Winzerfamilien bewohnt, garantieren für Leben auch abseits der Küsten. An diesen offenbart sich die Vielfalt der Insel. Kokkaris Trumpf sind sein dörflicher Charakter, sein langer Strand direkt am Ort und grün umrandete Traumbuchten in Spaziergangsnähe. In der Inselhauptstadt Vathy mit ihren vielen Einkaufsmöglichkeiten steht im Archäologischen Museum die kolossalste Jünglingsstatue aus archaischer Zeit, in Karlovassi sorgen alte Gerbereien und Tabakfabriken, repräsentative Villen und Kirchen sowie eine junge Universität für einen pittoresken Zeiten-Mix. Pythagorio mit seinem pittoresken Hafen und einer modernen Marina kann mit antiken Bauwerken aufwarten, zu denen als technische Meisterleistung der Antike auch der über 1000 Meter lange Eupalinos-Tunnel gehörte. Das gesamte Inselinnere mit seinen beiden über 1000 Meter hohen Gebirgen ist wunderbares Wanderland. Schmale Pfade führen durch Weinberge und Kiefernwälder zu Klöstern und Dörfern, Höhlen und Wasserfällen. Für Rock Climber sind mehrere Hundert Routen an den Felswänden der Insel präpariert.
Ikaria und Fourni
Die weitgehend felsig-schroffe Insel, vor der der sagenhafte Ikarus ins Meer stürzte, weil er der Sonne zu nahe kam, war in ihrer Geschichte oft Verbannungsort. Heute kommt man hierher, weil man sich der kargen Schönheit der Insel und ihrer Ursprünglichkeit kaum entziehen kann. Manche Postboten tragen im Inselosten die Briefe noch mit dem geländegängigen Motorrad aus, das Dorf Christos Rachon ist stolz darauf, dass in seinen Cafés und Geschäften nach Mitternacht mehr Betrieb herrscht als am Nachmittag. Das zu Ikaría gehörende Fourni-Archipel besteht aus zwei weitgehend baumlosen bewohnten Inseln und über 20 menschenleeren Felseilanden. Die Fischerei prägt den nahezu autofreien Hauptort Fourni, von dem Boote in kleine Badebuchten fahren. Fisch und Krustentiere kommen hier vom Boot direkt in die Tavernenküche.
Chios und seine Trabanten
Chios ist landschaftlich deutlich dreigeteilt. Im Hinterland der geschäftigen Hauptstadt dehnt sich eine fruchtbare Küstenebene aus, in der hinter den hohen Mauern von mittelalterlichen Landgütern Orangen und Zitronen gedeihen. Einige dieser Herrenhäuser wurden zu historischen Luxusoasen umgestaltet, die einen Verwöhnurlaub garantieren. Der ganze Inselsüden lebt von den Mastixsträuchern, aus denen ein Harz gewonnen wird, das bei der Parfumherstellung ebenso begehrt ist wie für wertvolle Lacke, und auf der Insel selbst auch als Aroma für Kosmetika und Kaugummis, Liköre und Süßigkeiten vielfältige Verwendung findet. Die Dörfer der Mastixbauern haben teilweise noch ein mittelalterliches Gepräge. Pyrgos ist für seinen Kratzputz berühmt, Mesta wie vor 800 Jahren von einer Stadtmauer umgeben. Der Inselnorden gibt sich hingegen eher kahl, besticht jedoch durch alte Dörfer auf steilen Felsen und das Kloster Nea Moni, in dem sich der äußerst expressive Mosaikenschmuck aus dem 11. Jh. fast unversehrt erhalten hat. Zu Chios gehören zwei Inselzwerge mit ausgeprägtem Charakter. Inousses ist Sommerresidenz von der Insel stammender Großreeder, das nur von 420 Insulanern bewohnte Psara ein ideales Ziel für Hobby-Eremiten.
Lesbos
Wer Lesbos ganz erkunden will, legt leicht weit über 500 Kilometer zurück. Zwei tief in den Inselkörper einschneidende Buchten schenken der auch Mytilini genannten Insel über 370 km Küstenlinie. Die wenigen viel besuchten Badeorte liegen in weitem Abstand voneinander: Kalloni am Rande eines Salzsees, auf dem Flamingos heimisch sind, Molyvos unter einer mittelalterlichen Burg und Petra um einen markanten Kirchenfels. Plomari ist dank mehrerer namhafter Destillerien zur griechischen Ouzo-Hauptstadt avanciert. Vor Skala Eressou zieht sich ein kilometerlanger Feinsandstrand nahezu unverbaut hin, viele andere Badebuchten sind fast nur Einheimischen bekannt. Schier unendliche Olivenhaine und dichte Wälder an den beiden 1000 m hohen Inselgebirgen prägen die Osthälfte der Insel, der Westen gibt sich sehr viel schroffer, erhält von blühenden Oleanderbändern an den Hängen seinen besonderen Charakter. Hier liegt mit einem versteinerten Wald, dessen längste Stämme über 10 m messen, die bedeutendste Natursehenswürdigkeit der Insel. Die Natur hat Lesbos auch viele Thermalquellen geschenkt. Romantiker nutzen sie in mittelalterlichen Badehäusern oder in einem mit Marmor verkleideten Pool aus der römischen Antike.
Limnos und Agios Efstratios
Limnos vor den Pforten des Hellespont galt in der Antike als die Insel des Hephaistos, Gott des Feuers und der Schmiedekunst. Ihm war hier ebenso ein Heiligtum geweiht wie den geheimnisvollen Kabiren als Beschützern der Seeleute. Nur wenige Kilometer südlich dieser beiden archäologischen Stätten wurden die Häuser und Gassen von Poliochni freigelegt, wo die Menschen schon vor 5000 Jahren in einer gut organisierten Kleinstadt lebten. Heute lockt Limnos vor allem mit seiner Inselhauptstadt Myrina, deren malerischer Fischerhafen von einer mittelalterlichen Burg überragt wird, deren weitläufige Mauern – nachts effektvoll angestrahlt – in mehreren Ringen einen bizarren Fels empor klettern. Erstklassige Hotels liegen ein paar Kilometer außerhalb an exzellenten Stränden. Südlich von Limnos liegt das winzige Agios Efstratios, oft auch Ai Strati genannt, mit nur 370 Bewohnern einsam in der Ägäis. Seine gesamte Westküste wird von Badebuchten gesäumt, die sich wie blaue Miniaturen aneinanderreihen.
Kunst und Literatur
Die nordostägäischen Inseln sind ideal für eine LiteraTour mit malerischen Akzenten. Chios gilt als Heimat des Homer, also passen Odyssee und Ilias ins Gepäck. Auf Lesbos schrieb Sappho ihre zarten Huldigungen an junge Mädchen, sammelte Theophrast seine Charaktertypen, die noch Molière als Vorlage dienten. Auf dieser Insel spielt mit „Daphnis und Chloe“ die vielleicht schönste Liebesroman der Antike, und Lesbos ist auch die Heimat des Literaturnobelpreisträger Odysseas Elytis. In den beiden Museen von Varia gleich südlich der Inselhauptstadt Mytilini sind nicht nur die Werke von Theophilos zu sehen, dem bedeutendsten griechischen Maler des frühen 20. Jh. sondern auch zahlreiche Original-Lithographien und Künstlerbücher moderner Meister wie Pablo Picasso und Marc Chagall. Mit Pythagorio auf der Insel Samos ist der Name des bedeutenden Mathematikers und Philosophen verbunden, und die Inselgeschichte hat mit der Ballade „Der Ring des Polykrates“ von Friedrich Schiller sogar ihren Weg in die deutsche Klassik gefunden.
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