Reise-Tagebuch Insel Kos: 23.-26.7.2015
Von Klaus Bötig | 23.Juli 2015
Ich sitze noch am Bremer Schreibtisch, habe gerade die Aktualisierung meines DuMont-Reisetaschenbuches Peloponnes fertiggestellt. Samstag geht’s auf nach Rhodos. Mein Freund und gelegentlicher Mitarbeiter Bastian Parschau aus Kreta ist heute nach Kos geflogen, im Gepäck eine Reihe von aktuellen Fragen von mir, die für Urlauber interessant sein könnten. Er führt Tagebuch, das ich hier veröffentliche:
23. Juli 2015
16:30 Uhr: Ich fliege mit Sky Express von Iraklio/Kreta nach Kos. 76 Euro hat mich das One-Way-Ticket gekostet. Eigentlich wollte ich schon gestern mit der Fähre von Iraklion nach Rhodos fahren und dort dann auf eine andere Fähre nach Kos umsteigen. Mein Schiff, die >Preveli<, sollte um 12 Uhr auslaufen. Ich war mehr als pünktlich am Hafen, um 11:30 Uhr, doch außer drei Italienern war niemand dort. Keine Hafenpolizei, kein Mitarbeiter des Reedereibüros, kein Kreter, kein LKW, kein Auto. Nur die drei Touristen und ich mit meinem Moped, das ich eigentlich nach Kos mitnehmen wollte. Ich ging ins Hauptbüro, das proppenvoll war. Aus dem vielen Geschrei hörte ich heraus, dass die Peveli diese Woche nicht fährt, ein Schaden am Schiff. Von den 98 €, die ich für eine einfache Hin- und Rückfahrt samt Moped bezahlt hatte, bekam ich 102 € cash zurück sowie ein offenes Ticket im Wert von 46 € (ein Jahr auf allen Verbindungen der Reederei gültig). Um 12:30 Uhr war ich wieder zu Hause und buchte den Flug - ohne Moped natürlich.
20:30 Uhr: Ich bin in meinem Lieblingshotel angekommen, dem Afendoulis, und sitze mit Wirt Alexis auf der Terrasse. Wir sprechen über Gott und die Welt - und natürlich auch die aktuelle Lage. Er ist mit seiner Buchungslage zufrieden, steht bei Tripadvisor für die Stadt Kos mal auf Platz Eins, mal auf Platz Zwei, das bringt Buchungen. Dieses Jahr wird er seine Preise noch halten, ab nächstem Jahr muss er die Zimmerpreise erhöhen: je nach Saison jeweils um 5 Euro fürs Doppel, also von 30 auf 35, von 40 auf 45 und von 50 auf 55. Generell, so sagt er, sei auf der Insel wohl ein Übernachtungsrückgang um 40% zu verzeichnen. Bettelnde Flüchtlinge hat er in de Stadt nie gesehen. Man begegnet ihnen meist nur, wenn sie vor der Polizeistation auf ihre Papiere warten.
21:00 Uhr: Ich bin hungrig, gehe in die Taverne Barbas gleich gegenüber. Die Frau des Wirts Vassilis erkennt mich wieder und klagt mir bald ihr Leid: Die Zahl der Gäste sei bei ihnen in den letzten Wochen um 50% zurückgegangen, Vassilis wird also wohl wie schon im vergangenen Winter auch im kommenden Winter wieder nach Deutschland gehen müssen, um dort im griechischen Restaurant eines Freundes zu arbeiten: Die Einnahmen aus der Saison reichen nicht, um die Familie über die touristenlosen Monate zu bringen…
24. Juli 2015
8:30 Uhr: Ich sitze auf Alexis Terassse und genieße das herrliche Frühstück. Mir gegenüber sitzen zwei Deutsche, Vater und Sohn. Schnell kommen wir ins Gespräch. Sven K. verlässt seine Heimat Wuppertal seit nun 10 Jahren 2 x pro Jahr in Richtung Kos. Kurz vor seiner Abreise diesmal brachte ein privater Sender einen Bericht über die Insel Kos, oder besser gesagt über das Flüchtlingsprobelm der Insel - so unterm Motto “Touristen liegen am Strand zwischen hungernden Flüchtlingen”. Er ließ sich nicht abschrecken und buchte seinen Urlaub wieder auf der Insel. Sein Fazit: Ein Flüchtlingsproblem soll die Insel definitiv haben, wie er aus Gesprächen mit langjährigen einheimischen Freunden erfuhr. Er selber habe aber außer an der Polizeistation keine Flüchtlinge gesehen - und 1x am Strand habe er einige verschleierte Frauen gesehen, die wie er den Sonnenuntergang geniessen wollten.
13:00 Uhr: Kurz nach dem Frühstück brach ich zu einer ersten Recherchetour auf. An der zentralen Polizeistation sowie deren näherer Umgebung zählte ich ungefähr 200 Flüchtlinge. Wobei alle geordnet und “zivilisiert” im Schatten gewartet haben. Im absolut westlichen Bereich der Hauptstadt befindet sich das alte, nicht mehr als Touristenunterkunft genutzte Hotel Elias. Dort sind die Flüchtlinge untergebracht, wenn man dort noch von Unterbringung sprechen kann. Jeden Abend kommen 20 bis 100 neue Flüchtlinge auf der Insel an, länger als 4 Tage bleibt wohl nienamd von ihnen auf der Insel. Nachdem sie ihre Papiere haben, werden sie nach Athen verschifft, von dort aus dann weiter verteilt. Weder an den Stränden der Hauptstadt noch an den Stränden in der nähe des Hotels Elias habe ich Flüchtlinge wahrgenommen. Da das Hotel weit ausserhalb der für den Touristen relevanten Gegend liegt, denke ich, weder die pauschal noch die individuell reisenden Touristen merken mit der Ausnahme der Polizeistation etwas vom Flüchtlingsprobelm….
23:00 Uhr: Nach gut 12 Stunden auf den Beinen, oder sagen wir lieber auf den Strassen, verdichtet sich das Bild. Sowohl während des Beginns mein abendlichen Spaziergangs sowie am Ende kam ich wieder an der zentralen Polizeistation vorbei. Die Lage dort hat sich wesentlich entspannt. Es waren jeweils ca. 30 Flüchtlinge dort. Sie warteten gespannt auf die neue Liste mit Namen, die von einem Polizeibeamten am Eingang aufgehängt wurde. Betreut wurden sie von einer jungen Dame in einer blauen Uno-Weste. Weder die Dame noch die Polizisten wollten Auskünfte geben, verwiesen wurde jeweils auf die zuständige Pressestelle.
Im näherem Umfeld der Polizeistation bemerkte ich ca. 50 weitere Flüchtlinge, die es sich auf Parkbänken bequem gemacht hatten. Im Zentrum angekommen, nahm ich weder Flüchtlinge noch die mir aus anderen griechischen Städten bekannt aufdringlich nervenden, bettelnden Roma war. Es war mir das nun schon seit 4 Jahren gewohnte Bild einer im Sommer lebendigen, von Touristen bevölkerten Stadt.
Claudia, Betreiberin eines Schmuckgeschäftes auf Kos, konnte berichten, dass sie im Mai beim Baden von einem französischen TV-Team gefilmt wurde. Nach dem Verlassen des Miteltelmeeres wollten die sie interviewen. Die konnte jedoch nichts Negatives über die Flüchtlinge sagen. Als sie es auch nach mehreren Nachfragen nicht tat, zog das TV-Team unbefriedigt ab. Ihr Freund Uffe sieht jeden Morgen auf dem Weg zum Laden viele Flüchtlinge auf den Weg zur Polizeistation. Er sucht sich Schwache bzw. Familien mit Kindenr raus, nimmt sie in seinem Auto mit und setzt sie auf dem Weg zur Arbeit nahe dem Polizeirevier ab. Seiner Aussage nach helfen viele Bewohner der Insel, wo sie nur können, auch die, die sogut wie nix haben, versuchen zu helfen. Deutschland sollte sich das zum Vorbild nehmen, es ist kein griechisches Problem, es ist ein internationales Probelm, nur Griechenland bezahlt es auf Grund seiner geografischen Lage.
25. Juli 2015
10:00 Uhr: Sitze beim zweiten Kaffee an der zentralen Platia des Städtchens. Am Nebentisch sitzen drei ältere Koer. Als eine Gruppe von 30 Flüchtlingen schweigend den Platz Richtung Polizeistation überquert, wechseln die drei Männer das Thema. Einer fragt die anderen: Habt ihr mitbekommen, wie die Deutschen zu Flüchtlingen stehen? Und dann erzählt er von brennenden Flüchtlingsunterkünften. Die beiden anderen schütteln kommentarlos den Kopf…
14:00 Uhr: Hinter mir liegt ein spannender Vormittag.Denke, mein Freund Hasan hat es auf den Punkt gebracht.Zwischen den Bestellungen der Gäste bzw. den oAnweisungen seiner Mutter,welche Gerichte fertig seienund zu welchen Tischen müssen, sagte er folgendes:
“Ich fühle mich wie die Strassenkatze von der mir immer meine Oma erzählt hat…. schau dir unsere Katze an, sie bekommt jeden Tag etwas zu essen und hat es jeden Abend warm, siehst du die Strassenkatze, die jeden Tag kommtund das Essen unserer Katze klaut…. ansonsten auf sich gestellt ist…. welche der beiden wird es in schwierigen Zeiten schaffen.
Schwieriger kann es nicht mehr kommen sagte er….
1. Die Griechen bleiben als Gäste aus, sie haben Angst bzw. kein Geld mehr
2. Die Russen aufgrund des Embargos bzw. der neuen Visabestimmungen bleiben aus….
3. Die Deutschen haben Angst kein Geld mehr am ATM zubekomen, bzw von den Flüchtlingen belästigt zu werden…
4. Immer mehr Steuern für uns…. jetzt noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer…..
Was soll es, wir Strassenkatzen werden es schaffen, die Touristen,die uns kennen, werden auch weiter kommen… die anderen sollen ruhig nach Spanien, Italien oder so fahren….
Angst hat Hassan nur, auch einmal seine neue, alte Heimat Griechenland aufgrund eines Krieges verlassen zu müssen….. schau dir die Menschen an, die haben nicht alles zurueck gelassen weil ihnen ein neues iphone fehlte, die hatten Angst um ihr Leben.
P.S. : Hassan hat es nicht direkt gesagt, denke aber, der 4 Jahre in Deutschland gelebt habende meinte mit der verwöhnten Hauskatze die deutschen Hartz IV-Empfänger….
23:59 Uhr: Zurück im Hotel. Heute war wohl ein schlechter Tag für die Insel. Heute Morgen hielt sich die Zahl der Flüchtlinge in der Stadt noch in Grenzen, heute Abend sah ich sie auf fast jeder Parkbank, am Hafen, vor der antiken Agora. Wobei es auch heute keinerlei dramatische Szenen gab. Man nimmt sie nur verstärkt wahr.
Freund Jannis meinte, es gebe halt solche und solche Tage. Und er regte sich über einen englischen Fernsehbericht auf, in dem Gästen in einer Taverne das Essen durch Flüchtlinge quasi vom Teller weggeschaut wurde, wo Flüchtlinge Gäste um Brot anbettelten. Jannis war sich sicher: Dieser Bericht war getürkt.
P.S. Leser HerbertF berichtet in einer Mail, vor 2 Wochen habe er auf Kos noch sehr viel weniger Flüchtlinge bemerkt.
26. Juli 2015
14:00 Uhr: Heute beim Mittagsessen hörte ich die ersten kritischen Stimmen zu den Flüchtlingen. Ein Festlandgrieche,der sich für die schönste Zeit des Jahres Kos ausgesucht hat.
In einer Diskusion mit dem Kellner beklagte er, dass viele der Flüchtlinge bessere Kleider tragen würden als er, sowie die neusten Handies besitzen.
Klar, sagte der Wirt, die leben ja auch in guten Hotels, zahlen ihr Essen in guten Tavernen, diese Menschen haben ihre Heimat nicht verlassen,da sie keine Jobs dort hatten, nein, sie sind vor dem Krieg geflohen. Aber schau dir die anderen an, die in den Parks ihre Nächte verbringen. Ja, genau die waren es auch, vor denen der Gast warnte. Wir, aber vor allem Europa werden noch merken,was wir uns da an Land gezogen haben, viele von ihnen sind IS Teroristen, die sich nun in ganz Europa verteilen, und wenn es genug sind, und ihr Tag gekommen ist, dann aber gute Nacht.
Der Wirt räumte die Teller ab und ging schweigend Richtung Küche…
23:10 Uhr: Ich bin am Hafen. Pünktlich macht die “Diagoras” aus Piräus fest. Ich werde mit ihr nach Rhodos fahren, um Klaus dort bei seinen Recherchen zu unterstützen. Ankunft auf Rhodos: 5 Uhr.
Flüchtlinge waren heute überhaupt nicht mehr in der Stadt. Ein Schiff hat 2000 abgeholt, um sie aufs Festland zu bringen.
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