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Unbekanntes Griechenland zwischen Preveza und Nafpaktos

Von Klaus Bötig | 29.Oktober 2015

Der Südwesten des griechischen Festlands gehört zu den im Ausland nahezu unbekannten Regionen Griechenlands. Nur die vorgelagerte Insel Lefkas ist ein beliebtes Urlaubsziel. An den Küsten zwischen Preveza und Nafpaktos hingegen verbringt man Urlaubstage unter Griechen – und erst recht an den vielen großen Stauseen der Region und in der Bergwelt Evritaniens. Selbst die antiken Stöätten wie Oiniades, Stratos und Thermos sind weiße Flecken auf der Karte von Hobby-Archäologen.

In einem unscheinbaren Denkmal im Heldenpark von Messolongi ist das Herz des englischen Dichterfürsten Lord Byron beigesetzt. Der leidenschaftliche Philhellene, der allerdings von den Griechen, die er traf, eher weniger begeistert war, erlag hier 1824 dem Sumpffieber. So bekam er nicht mehr mit, wie „heldenhaft“ die Bewohner des Städtchens 1825/26 einer monatelangen Belagerung durch die Türken standhielten und wie sie schließlich niedergemetzelt wurden, als sie auszubrechen versuchten. In Erinnerung daran verkündet ein Gedenkstein am nahe gelegenen Stadttor „Jeder freie Bürger ist ein Bürger von Messolongi.“

Der faschistische Diktator Ioannis Metaxas instrumentalisierte 1937 dieses Ereignis, indem er Messolongi zur >heiligen Stadt< erklärte.

Von einem Heiligenschein ist freilich nichts zu spüren. Messolongi ist ein ganz normales, eher verschlafenes Provinzstädtchen mit gerade einmal 12 000 Einwohnern. Ein über 4 km langer Damm, auf dem sogar einer der in Hellas noch seltenen Radwege angelegt wurde, führt hinüber zur Nehrung von Tourlida. Brackwasser säumt ihn, flache Landzungen führen immer wieder in die Lagunenlandschaft hinein. Auf einer von ihnen laufen massenweise schwarz verkrustete, zumeist ältere Griechen herum: Der Meeresschlick gilt hier als heilkräftig. So steigt man ins Wasser, wälzt sich im Schlick, lässt ihn an der Sonne trocknen und schabt ihn dann wieder ab. Die Wartezeit kann man auf den Stühlen von kantinas verbringen, improvisierten Kafenia vor zu Imbissständen umgebauten Kleintransportern.

Äußerst urig sind auch die pellades genannten Fischerhütten, die kurz darauf auf Stelzen im Brackwasser stehen. Viele von ihnen dienen heute als Ferienhäuser, das Flair gleicht einer Mischung aus asiatischen Pfahldorfsiedlungen und der Lagune von Venedig. Äußerst exotisch wirkt dann auch die Taverne Alykes auf der Nehrung von Tourlida. Gleich neben einer Saline und einem schmalen Strand stehen hier 16 Tische unter ebenso vielen Schatten spendenden Dächern auf Stegen über dem Meer – romantischer kann man wohl in ganz Hellas kaum speisen!

 

Im Mündungsgebiet des Acheloos

Wie Messolongi ist auch Etoliko ein Lagunenstädten (4300 Ew.). Nur dass es nicht an, sondern in einer Lagune liegt. Seine Häuser stehen auf einer fast ellipsenförmigen Insel, die über zwei Dämme mit dem Festland verbunden ist. Mit etwas Glück findet man hier auf der Speisekarte der Tavernen gebraten Aal, eine für Griechen äußerst exotische Spezialität.

Westlich von Etoliko liegt das weitläufige Mündungsgebiet des Acheloos, mit 170 km längster griechischer Fluss. Mit moderner Technik hat man das Schwemmland weitgehend trockengelegt. Dass einstige Naturparadies wird heute von betonierten Kanälen durchzogen, die zahlreichen Verästelungen sind vom Hauptlauf des Flusses durch Deiche abgeschirmt. Wo noch nichts angebaut wird, überzieht Salsteppe den Boden der trocken gefallenen Lagunenböden.

Bei Katochi zweigt eine Straße zu den Ausgrabungen von Oiniades ab. Auf den Wegweisern wird der Name immer wieder anders geschrieben: Iniades, Ancient Oiniadai, Ancient Iniada, Ancient Theatre und anderes mehr ist da zu lesen. Schildermaler genießen eben mehr Freiheiten als Ikonenmaler….

Das antike Oiniades ist von Feldern und Weiden umgeben, auf denen Schafe, Ziegen, Schweine und Kühe nach Futter suchen. Schilfgürtel säumen die Wasserläufe, Lebensraum zahlreicher Vögel. Oiniades war einst eine Hafenstadt. Davon zeugen die in ihrem guten Erhaltungszustand einzigartigen, in den Fels geschlagenen Schiffshäuser, in denen in der Antike Schiffe gebaut und repariert wurden. Im Grabungsgelände verstreut sind außerdem die Reste der einst 5,5 km langen Stadtmauer mit Wehrtürmen und ganz unterschiedlich konstruierten Toren zu sehen, ferner die Reste eines Theaters, einer Therme und eines kleinen Tempels sowie verschiedener Wohn- und Verwaltungsbauten.

Folgt man der schmalen Straße, die nach Oiniádes führt, weiter in Richtung Meer, kommt man nach 10,5 km Fahrt durch Salzwiesen, Brackwasser und sumpfige Weiden ans Meer. Kleine Wellblechsiedlungen dienen Fischern und Wochenendurlaubern als primitiver Unterschlupf. Dann endet die Asphaltstraße. Hält man sich am Ufer entlang nach links, kommt man ins arg improvisiert-illegal erbaut wirkende Ferienhausgebiet von  Dióni, wo ein etwa 100 m langer Holzsteg hinüber führt auf ein Inselchen mit schmalem Strand. Sonneschirm und Trinkwasser sollte man selbst mitbringen, wenn man hier urtümlich-einfache Badefreuden genießen will.

 

Stratos und Agrinio

Stratos und Agrinio muss man nicht unbedingt gesehen haben. Es sind kurze Zwischenstationen am weiteren Weg. Von der strategisch günstig über dem Fluss Achelóos gelegenen Stadt Stratos, die heute noch den gleichen Namen wie in der Antike trägt, blieben vor allem das Theater und die Agorá erhalten. Nicht unbedingt schön, aber weit ist der Blick vom Theater auf die durch zahllose Kanäle irrigierte Schwemmlandschaft des Flusses und die vielen Kiesflächen, die hier großräumig abgeräumt werden

Agrinio ist die größte Stadt im Regierungsbezirk Etolía-Akarnanía, der wiederum der flächenmäßig größte ganz Griechenlands ist. Die Stadt (42500 Ew.)  besitzt keinerlei Sehenswürdigkeiten, ist aber für eine Zwischenübernachtung durchaus angenehm. Auffällig ist, wie sich die Cafés der Stadt darin übertreffen, zum Bier oder Oúzo interessante Tellerchen mit verschiedensten Knabbereien zu stellen: Schinkenröllchen und Salamischeiben, Käsewürfel, Oliven oder Kräcker zum Beispiel.

 

In die Bergwelt Evritaniens

In Agrinio beginnt die Fahrt in die Berge Evritaniens, einem Regierungsbezirk ohne Küste. Noch immer gibt es hier eine ganze Reihe von Dörfern, die nur über raue Jeep-Pisten zu erreichen sind. Evritanien beginnt am Stausee Kremaston, der mit seinen vielen Inselchen und unverbauten Ufern einen atemberaubend schönen Anblick bietet. Er entstand  schon 1965 durch die Aufstauung der Flüsse Achelóos, Agrafiótis, Tavrópos und Trikeriótis. Auf einer Fläche von 80 km² fasst er bis zu 4,75 Mrd. m³ Wasser. Neben seiner 160 m hohen und 457 m langen Staumauer steht eins der modernsten Wasserkraftwerke Griechenlands, dessen 4 Turbinen eine Leistung von 440 Megawatt erbringen.

Kurvenreich geht es von hier aus weiter nach Karpenissi, der auf 960 m Höhe gelegenen Hauptstadt Evritaniens (6600 Ew.). Sie hat ein gewisses Flair,  ist nicht durchgestylt wie Métsovo im Epirus, aber auch nicht ärmlich-lebensarm. Man merkt, dass es bei all seiner Kleinheit Einkaufs- und Handelszentrum einer sehr ländlichen Region ist. Mittelpunkt der Stadt ist die Platía Botsári  mit Rathaus, Hauptkirche und mehreren Hotels ein paar Schritte entfernt. In einer knappen halben Stunde hat man einen Stadtrundgang hinter sich und kann sich dem Dolce Far Niente in Tavernen oder Cafés hingeben. Zum Beispiel im Cinema Café (www.wgreek-holidays.gr/cinema), einem umgebauten Kino, oder in der Bouat Mousiskes Epafes, wo man abends bei einem Drink Liedermachern und Sängern zuhört, die mit Syrtaki nichts im Sinn haben, sondern lieber rembetika spielen.

Zwei kurze Ausflüge mit dem Auto lassen sich gut ins Aufenthaltsprogramm einflechten. Einer führt ins 12 km entfernte Skigebiet Timvrístou. Die Straße dorthin ist sehr gut ausgebaut. Auf 1840-2220 m Höhe erwarten den Besucher zwischen Dezember und April eine moderne Hütte, sieben Schlepp- und Sessellifte, zehn Pisten, Ski- und Snowmobilverleih. Im Sommer ist die Fahrt hinauf  vor allem ein landschaftliches Erlebnis. Ein zweiter Ausflug gilt dem nur 2,5 km südwestlich gelegenen Kefalovrísso. Kräftige Quellen speisen hier die Becken einer Forellenzuchtstation, Quellhäuser stehen in einem kleinen Park mit zwei Tavernen. Frösche quaken, Wasser rauscht, ein paar Meter weiter übt sich die Dorfjugend auf einem Verkehrsübungsplatz. Ein altes Denkmal von 1930 und eine modern gestaltete Mauer mit Porträt erinnern an den Freiheitshelden Márkos Botsáris, der hier während des griechischen Freiheitskampfes am 8. August 1823 im Kampf gegen die Türken fiel. 2 km weiter steht auf gepflegtem Rasen das Blockhaus-Restaurant Saloon. Hier wird im Winter sogar Glühwein seviert oder heißer Tresterschnaps mit Nelken und Walnuss. Man verleiht Mountainbikes und bietet kurze Ausritte zu Pferde an.

Wer ausgedehnteren Outdoor-Aktivitäten frönen will, wendet sich in Karpenissi an sein Hotel oder ans Büro von Efzin (www.fzein-evryt.gr) , das River-Rafting, TrekkingTouren, Kayak- und Kanufahrten, Mountainbike- und Jeep-Touren organisiert.

 

Nach Proussos

An der Straße von Karpeníssi nach Proússos lohnen viele Dörfer einen Abstecher. Eins der größten und schönsten ist das „Große Dorf“, Megálo Chorió (470 Ew.). Hält man sich an der Gabelung am Ortsanfang rechts, passiert man die Dorfkirche und kommt zum Waldpark Kefalovrísso (gleicher Name wie die Quelle bei Karpeníssi), durch den ein Waldpfad über Holzbrücken zu einem kleinen Wasserfall führt. Geht man die Straße weiter, gelangt man zum Uhrturm, zum kleinen Volkskundlichen Museum und ins Zentrum mit Kafenía und Souvenirgeschäften, die in der Region hergestellte Nudeln und Marmeladen feilbieten. Im Dorf vermietet die kleine Firma Forest Dream (Tel. 69 76 02 21 27)  PGO Bugxter BR-150, kleine zweisitzige Viertakter für Funrides im Gelände.

Hinter Megálo Chorió führt die Straße nach Proússos durch die Klídi-Schlucht, an deren engster Stelle der Fels eingekerbt werden musste, damit die Straße überhaupt Platz fand. In der Schlucht liegt an der Abzweigung nach Karítsa eine der urigsten Grilltavernen des Landes. Vor allem an Wochenenden grillt Wirt Kóstas vor seinen Bretterbuden Lamm und kokorétsi am Spieß. Salate und Vorspeisen bringen die Gäste zum Teil selbst mit. Gegessen wird an elf langen Holztischen auf einer hölzernen Terrasse unter Platanen direkt am Bachbett.

Nähert man sich dem hoch oben am Hang über einem Talkessel gelegenen Dorf Proussos(250 Ew.), fühlt man sich an Tee-Hochlandgebiete wie auf Sri Lanka oder in Darjeeling erinnert. Die Hänge sind üppig grün, häufig terrassiert, die Häuser weitläufig auf den Terrassen verstreut. Imposant ist auch der Anblick des großen Wallfahrtsklosters Panagía tis Prousiótissas, das dicht an eine Felswand gedrängt auf zwei Felsen hoch über dem Talgrund steht. Hier herrscht das ganze Jahr über ein heftiges Kommen und Gehen von Pilgern, die häufig auch im Kloster übernachten. Hauptziel der Gläubigen ist eine Marienikonen in der in den Fels gebauten Kapelle, die auch dann zugänglich ist, wenn das Kloster für Laien verschlossen ist. Vom Vorhof führt eine Treppe hinunter zu einer kleinen Quelle, aus der die Pilger agiásma, heiliges Wasser, mitnehmen. Ihre Wünsche bleiben im Kloster, denn in einen mit onómata versehenen Schlitz an einer Art Kiosk am Vorhof kann man hinterlassen, wen die Mönche in Zukunft in ihre Gebete mit einbeziehen sollen.

Nach dem Besuch des Klosters empfiehlt sich eine Rast auf der kleinen Platía des Dorfes, von der aus man einen schönen Blick hinunter ins Tal, aufs Kloster und in die Bergwelt genießt. Danach geht es kurvenreich über eine Passhöhe wieder in Richtung Küste, wobei man den antiken Ausgrabungen von Thermo noch einen Besuch abstatten kann.

Das große Dorf Thermo (1900 Ew.) nahe dem Trichonída-See liegt schon im Regierungsbezirk von Etolía-Arkananía. 1,5 km von der Platía entfernt liegen die weitläufigen Ausgrabungen der antiken Stadt Thermái mit einem schon im 9./8. Jh. v.Chr. bedeutenden Apollon-Heiligtum. Am markantesten sind die Grundmauern dreier je 160 m langer Säulenhallen, die in hellenistischer Zeit den Marktplatz der Stadt umgaben. Auch Reste der Stadtmauer aus der Zeit um 200 v.Chr. sind gut erhalten.

Schönes Nafpaktos

Náfpaktos (13000 Ew.) ist ein besonders malerisches Städtchen. Vom engen Hafenbecken, das venezianische Festungsmauern gegen den Golf abschirmen, ziehen sich die Häuser der Altstadt einen bewaldeten Hang hinauf, der in einer Burg gipfelt. Mauerringe umziehen aber auch den Hang in verschiedenen Höhen, wodurch das mittelalterlich anmutende Stadtbild noch schöner wird. Strände schließen sich zu beiden Seiten der Altstadt an, so dass Náfpaktos ein sehr empfehlenswerter Übernachtungsort ist.

Als venezianisches Lepanto gab Náfpaktos  einer berühmten Seeschlacht den Namen. Im Oktober 1571 lief von hier eine türkische Flotte aus, die bei den Oxiá-Inseln vor der Mündung des Achelóos auf einen starken Verband der Heiligen Liga traf. Sie war ein Zusammenschluss von Spanien, Papst, Venedig, Genua und dem Malteserorden. Die Christen gewannen dabei zum ersten Mal eine Seeschlacht gegen das Osmanische Reich. Der spanische Dichter Cervantes wurde in dieser Schlacht an der linken Hand verstümmelt.

Von der Burg von Napfaktos aus deutlich zu sehen ist schon die 2004 eröffnete Brücke über den Korinthischen Golf zwischen Rio und Antirrio. Sie bringt den Reisenden schnell zurück zum Hafen von Patras oder zum Flughafen von Araxos – oder weiter zu Urlaubstagen auf dem Peloponnes.

 

KASTEN

Praktische Hinweise

 

Hinkommen: Mit der Autofähre von Italien nach Igoumenitsa oder Patras. Mit dem Charterflieger nach Araxos bei Patras oder Preveza. Angebote u.a. unter www.attika.de und www.tuifly.de

Unterkommen: Hotels und Pensionen gibt es in Westgriechenland genauso häufig wie in allen anderen Landesteilen. Empfehlenswerte Hotels mit Websites: In Karpenissi: www.montana.gr, www.elvetiahotel.gr, www.hit360.com/apollonion. In Thermo: www.apollonhotel.gr. In Agrinio: www.galaxiashotel.gr. In Messolongi: www.theoxenia-hotel.gr.

Rumkommen: Autos können ab den Flughäfen Araxos und Preveza sowie in Igoumenitsa und Patras und auf der Insel Lefkas gemietet warden.

 

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