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Rhodos im Winter - lohnt sich das?

Von Klaus Bötig | 21.Dezember 2013

Im Winter gehört die Altstadt von Rhodos den Katzen. Nur wenn die Kreuzfahrer kommen, öffnen ein paar Geschäfte. Ansonsten spielt sich das Leben fast nur in der Neustadt ab. Der sommerliche Sündenpfuhl Faliraki gleicht einer Geisterstadt, das schöne Lindos ist in tiefsten Winterschlaf gefallen. Lohnt es sich trotzdem, in dieser Jahreszeit auf Rhodos ein paar Wochen zu verbringen?

Wir haben uns im März 2013 drei Wochen lang in einer Altstadtpension einquartiert und sind dort die ganze Zeit über die einzigen Gäste. Wirt Georgios lässt sich nur sporadisch sehen, Personal hat er nicht. Die Tochter reinigt unser Studio, wenn sie zwischen ihrem Nichtstun gelegentlich Zeit dafür findet. Für Wärme in kühlen Nächten sorgt ein Elektroheizkörper auf Rädern. Wir fühlen uns pudelwohl, auch wenn uns manchmal die Pfützen auf den Kieselsteinpflastern der engen Gassen zu tollkühnen Sprüngen zwingen. Denn wir haben die stimmungsvollste Altstadt der Ägäis fast für uns allein.

An der Aristoteles- und Sokrates-Straße, die zusammen die sommerliche Hauptflaniermeile bilden, sind all die Pelz- und Leder-, Souvenir- und Schmuckgeschäfte geschlossen.  Nur ein kleines, modernes Café öffnet morgens um Acht, hält Toast und Pittes für ein einfaches Frühstück bereit. Zu den ersten Gästen gehört fast jeden Morgen ein uralter Mann, der sich am Stock von der Süleyman-Moschee weiter oben hier hinunter bemüht. Weiter würde er es wohl kaum schaffen. Er trinkt seinen Kaffee, grüßt die sporadisch langsam vorbeifahrenden Moped- und Autofahrer, schleppt sich dann wieder nach Hause. Wahrscheinlich hat er sein Unterhaltungsprogramm für den Tag damit bereits hinter sich gebracht.

Unseres beginnt. Wir schlendern durchs alte jüdische Viertel, wo die Synagoge Kahal Shalom aus dem Jahr 1577 jetzt im Winter geschlossen ist. In einem der alten jüdischen Häuser treffen wir den Ikonen- und Freskenmaler Vasilios Syrimis und seinen Sohn Periklis bei der Arbeit in ihrem Studio an. Sie haben mehrere Ikonen gleichzeitig in Arbeit. Ihr größter Auftrag ist zur Zeit die Ausmalung einer Kapelle. Aus Kostengründen malen sie aber ihre heiligen Bilder nicht mehr direkt vor Ort auf die Kapellenwand, sondern hier im Studio auf eine Spezialleinwand, die dann einfach auf der Kapellenwand angebracht wird. Vasilios nimmt sich Zeit, seine Malkunst zu erklären. Er spricht perfekt Englisch, denn in seinen jüngeren Jahren war er als Tourismus-Manager auf der Insel aktiv.

Timarista und Krito

Vom Platz der Jüdischen Märtyrer, dessen Benennung an den Abtransport der 1670 rhodischen Juden erinnert, die im Juli 1944 von deutschen Truppen ins Vernichtungslager Auschwitz geschickt wurden und von denen nur 151 überlebten, gehen wir ins Collachium, das mittelalterliche Ritterviertel. Im Archäologischen Museum, angesiedelt im ehemaligen Hospital der Johanniterritter, sind wir die einzigen Besucher. Wir lassen die >Kauernde Aphrodite<, die an den sommerlichen Postkartenständern Tausende von Ansichtskarten ziert, links hocken und wenden uns den überlebensgroßen Kouros-Statuen aus dem 6. Jh. v.Chr. zu. Sie stehen noch stark unter orientalischem Einfluss. Die Figuren wirken sehr stereotyp und statisch, die Arme sind eng an den Körper angelegt. Sie sehen aus wie Menschen, zeigen von Menschlichkeit aber keine Spur.

Ganz anders die Grabstele der Timarista und Krito aus dem späten 5. Jh. v.Chr. Beim direkten Vergleich der Kouroi mit diesem Relief wird deutlich, welche enorme Entwicklung, welch qualitativen Sprung die griechische Kunst innerhalb nur eines Jahrhunderts vollzog. Hier ist nicht wie beim Kouros ein >Typus< dargestellt, sondern zwei Individuen in einer ganz konkreten Situation. Die Tochter Krito nimmt von ihrer verstorbenen Mutter Timarista Abschied. Timarista wendet der Tochter noch den Kopf zu, der Körper ist schon von ihr abgewandt. Krito senkt den Kopf in Trauer, liebkost noch einmal mit der rechten Hand ihre Mutter. Ihre Beinstellung zeigt aber deutlich, dass sie in dieser Welt bleiben will. Über alle Individualität hinweg gelingt es dem Künstler der klassischen Zeit, der Darstellung Allgemeingültiges zu verleihen: Sie ist zeitloser Ausdruck von Trauer schlechthin.

Windgeschützt

Gleich neben dem Museum ist ein Büro der Städtischen Tourist-Information auch jetzt im Winter geöffnet. Ich frage die junge, in Deutschland aufgewachsene und sehr engagierte Seva, auf wen sie wartet. „Auf Menschen wie euch“, antwortet sie, „und zweimal die Woche auch auf Kreuzfahrt-Touristen“. Rhodos hat Glück: Kreuzfahrten boomen, die Insel ist auch im Winter Anlaufhafen für die Luxusschiffe. Da hat man etwas, worauf man zuverlässig warten kann.

Wir gehen nicht zum Kreuzfahrt-, sondern zum alten Mandraki-Hafen hinunter, kommen dabei an einem der beiden städtischen Museen für moderne Kunst vorbei. Sie sind auch im Winter geöffnet. Gleich im Kassenraum hängen da fünf Werke des berühmten Theophilos  (1868-1934), der wahrhaft griechische Naivität mit einer Technik verband, die er sich vom Ikonen malenden Großvater abgeschaut hatte. Um noch mehr seiner Werke zu sehen, müsste man auf seine Heimatinsel Lesbos reisen.

Der Mandraki-Hafen ist packevoll mit jetzt - wie so viele junge Rhodier im Winter arbeitslos gewordenen - Ausflugsschiffen und mit Segelyachten, auf denen einige ausländische Rentiers den ganzen Winter verbringen. Das verspielt orientalisch anmutende Gebäude der Nea Agora aus den 1939er Jahren steht mit seiner Kuppel als Landmarke zwischen Mandraki und dem Großmeisterpalast, ist ebenso wieder ein Werk der italienischen Faschisten, die das heutige Antlitz des Neustadtkerns während ihrer Herrschaft über den Dodekanes 1919-1943 entscheidend – und äußerst positiv – prägten. Die Konditoreien an seiner Hafenfront sind jetzt alle verschlossen, doch der Innenhof mit seinen schlichten Arkaden ist in dieser Jahreszeit ein Refugium an windreichen Tagen. In kleinen Beizen trifft sich da das einfache Volk zu Kaffee und Ouzo, kleinen Fischen, Gyros und Souvlaki. Auch Katzenfamilien wissen die Windstille zu schätzen, lümmeln sich auf Mülltonnen, ziehen ihre Jungen in dafür bereit gestellten Pappkartons groß.

Am nahen Elli Beach wartet ein modernes Lounge-Café auf Gäste. Hinter Glasscheiben sitzt man dort im Warmen und genießt den Blick aufs Meer und die gegenüberliegende Türkei, die in diesen Monaten dank klarer Luft oft zum Greifen nah erscheint. Oft erkennt man da sogar die schneebedeckten Gipfel desTaurus-Gebirges. Am Elli Beach steht auch das von den Italienern einst errichtete Luxushotel des Roses. Heute beherbergt es auch ein Spielcasino. Es trägt zu den Wintereinnahmen der Insel bei: Regelmäßig kommt ein Kreuzfahrtschiff aus Israel und bleibt für eine Nacht, um den ja casino-losen Israelis den Verlust größerer Geldbeträge zu ermöglichen.

Keine Langeweile

Wir kommen mit kleinen Beträgen zurecht. Gehen abends meist ins Pub >Walk Inn< gleich um die Ecke von unserer Pension direkt gegenüber einer Moschee. Da treffen Rhodier mit auf Rhodos lebenden Ausländern zusammen, servieren die jungen Wirtsfamilien aus Karpathos zu westlicher Oldie-Musik regionale Küche, aber auch Pizza. Wir finden eine kleine, von Engländern betriebene Bar, die an Freitagabenden griechische Live-Musik spielt, ganz versteckt eine winzige Ouzeri mit trinkfesten Männern und ein kleines, gut durchgestyltes Abendcafé, in dem wir uns mit griechischen Studentinnen über Gott und die Welt unterhalten können.

Und dann sind da ja noch die vielen Ausflugsmöglichkeiten. Schnelle Katamarane verbinden fast täglich Rhodos mit der Nachbarinsel Symi und an einigen Tagen auch mit den Inseln Chalki oder Tilos und Marmaris in der Türkei. Der Linienbus fährt schnell und preiswert ins berühmte Lindos, das nur an den zwei Tagen, an denen Kreuzfahrtentouristen kommen, geöffnet zu sein scheint. Dann müssen sogar die lindischen Esel ihren Winterurlaub unterbrechen, um die Fremden zur berühmten Akropolis hinauf zu tragen.

Droben in den Bergen wartet am Profitis Ilias sogar das von den Italienern im Chalet-Stil erbaute Hotel >Elafos< ganzjährig auf Gäste. Die Mountainbikes vor der Tür dürfen sie kostenlos nutzen, um durch den schneefreien rhodischen Winterwald zu radeln – zum Beispiel zur kleinen Kirche Agios Nikolaos Fountoukli. Da wird übrigens das Trauer-Thema von Timarista und Krito in mittelalterlichen Fresken christlich wieder aufgegriffen. Ein hoher byzantinischer Beamter stiftete sie mitsamt Kirche um 1400 des Seelenheils seiner drei Kinder wegen. Sie waren wohl gleichzeitig durch eine Seuche hinweggerafft worden. Auf einem Fresko übergeben die Eltern Christus (als Modell) die Kirche. Christus segnet sie, links und rechts leisten Maria und Johannes der Täufer Fürbitte für die Verstorbenen. Auf der gegenüberliegenden Wand ist ein Wunschtraum der Eltern zu sehen: ihre drei Kinder befinden sich bereits im durch Weinranken und Vögel angedeuteten Paradies.

INFO

Anreise: Per Autofähre: 8x wchtl. mit Piräus (http://www.bluestarferries.com/), 1x wchtl. mit Iraklio. Per Flug: Mehrmals tgl. mit Athen, mehrmals wchtl. mit Thessaloniki und Iraklio.

Symi-Ausflug: http://www.12ne.gr/ (Katamarane)

Interessante Websites: http://www.ando.gr/eot(EOT Dodekanes, mit aktuellen Öffnungszeiten, Schiffs- und Busfahrplänen),  http://www.sirimis.gr/ (Ikonenmaler), http://www.elafos.gr/ (Berghotel), http://www.rhodesanimalswelfaresociety.gr/ (Tierschutz)

Reiseführer: Marco Polo „Rhodos“,  Merian Momente Rhodos”, beide von Klaus Bötig

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