Ansichten und Reiseberichte eines Griechenlandreisenden
Von Klaus Bötig | 11.März 2012
Sofia Pagati spricht ausgezeichnet Deutsch. Sie hat lange in Hamburg gelebt. Georgios, ihr Mann, verbrachte Jahre auf See. Jetzt ist Sofia auf Korfu Imkerin aus Leidenschaft. Ein alter Bienenzüchter aus ihrem Dorf an der Straße zwischen Liapades und Marmaro im Nordwesten der Insel hat ihr vor seinem Tod noch viele Tipps aus seiner lebenslangen Erfahrung vermittelt, die sie jetzt immer weiter entwickelt. Sie arbeitet ganz und gar ökologisch, kommt völlig ohne Pharmaka für ihre Bienenvölker aus und verbreitet ihre gewonnenen Erkenntnisse inzwischen sogar schon auf Seminaren. Vor allem aber will sie ihre Liebe zu den Bienen an andere Menschen weitergeben. Darum haben Sofia und Georgios in einem uralten, dichten Olivenhain ihren >Bee Park Skiadena< eingerichtet und an dessen Rand eine ganze Reihe der typisch griechischen, also farbigen, hölzernen Bienenkästen aufgestellt. Georgios hat Bänke und Tische selbst gezimmert, die überall unter den Bäumen verstreuten Spielgeräte für Kinder selbst zusammengenagelt und geschweißt. Alles wirkt improvisiert und handgemacht und gerade deshalb so liebenswert. Sofia kann stundenlang in schönstem Norddeutsch über ihre Arbeit schnacken, Georgios bringt derweil den Kaffee. Natürlich können Besucher auch den Honig verkosten und all die anderen Köstlichkeiten, die Frühaufsteherin Sofia in ihrem Häuschen produziert: Oliven und Käse, Marmeladen und die in Sirup eingelegten Früchte, wie sie ganz Hellas liebt.
Ein Heim für alte Esel
Nicht weit vom Bienenpark entfernt betreibt die Britin Judy Quinn bei Doukades seit 2004 den >Corfu Donkey Shelter<, eine Art Pflegeheim für verletzte und alt gewordene Esel. Sie sammeln die Tiere bei Bauern auf der ganzen Insel ein, die sie ansonsten vielleicht an einen Händler abgeben müssten, der sie zum Schlachten nach Italien verschiffen würde. Fast 60 Esel stehen im Juli 2011 auf ihrem Gelände, werden von Judy und freiwilligen Helfern aus aller Welt versorgt. Besucher sind willkommen, können die Tiere streicheln und sich mit ihnen fotografieren und sich von Judy auch so manches über sie lernen: zum Beispiel, dass die ersten Esel erst um 1820 von den Engländern aus Malta nach Korfu eingeführt wurden. Malta und Korfu standen nach den Napoleonischen Kriegen ja beide unter britischer Herrschaft, die Beziehungen waren eng. Zum Bau des Palastes importierten die Engländer nicht nur maltesischen Kalkstein, sondern eben auch gleich die Arbeitstiere und sogar einige hundert maltesische Arbeiter, die heute – völlig gräcisiert - den Großteil der römisch-katholischen Inselgemeinde bilden.
Ein Kafenio für alte Dorfbewohner
Ein anderer Engländer, den zu besuchen sich lohnt, kümmert sich nicht ums Überleben von Eseln, sondern hält ein ganzes Bergdorf am Leben. Paul und seine Frau Molly aus dem britischen Ipswich leben seit 1994 in Petalia zu Füssen des Pantokratoras, des mit 904 m höchsten Inselberges. Das Dorf ohne jedweden Meerblick zählt nicht einmal mehr 60, zumeist alte Bewohner. Als 2006 das letzte Kaffeehaus geschlossen werden sollte, das wie so viele Kafenia in winzigen Ortschaften zugleich auch die Funktion einer Brotverkaufsstelle und eines Postamtes innehatte, schritten Paul Molly zur Tat, pachteten das Gebäude und hielten das Kaffeehaus am Leben. Es ist der soziale Mittelpunkt des Lebens geblieben, in dem nahezu jede Dorfbewohner mindestens einmal täglich vorbeischaut. Angesichts der nun noch weiter geschmälerten Renten können sich manche Einheimische freilich das Täßchen Kaffee selbst zum Sonderpreis für Dorfbewohner nicht mehr täglich leisten, aber ein Gespräch kostet ja nicht – und für ein wenig Geld in der Kasse sorgen ein paar Touristen, die auf dem Weg zum Inselgipfel vorbeikommen, einen frisch zubereiteten Salat und von Molly selbst gebackenen Kuchen genießen. Mancher probiert hier auch Tsitsimbirra, eine früher in weiten Teilen Griechenlands verbreitete Ingwerlimonade, die heute nur noch in einem kleinen Dorf in Nord-Korfu hergestellt wird.
Korfu wie es früher war
Altes Handwerk zu erhalten, ist ein Anliegen so manches Korfioten. Besondere Verdienste hat sich dabei Herr Patounis erworben, der die schon 1850 gegründete Seifenfabrik seiner Vorfahren erfolgreich fortführt. Der Besucher betritt die Manufaktur durch einen kleinen Laden, der ihn sogleich um 150 Jahre zurückversetzt. Im winzigen Kontor nebenan sitzt der Firmeninhaber über seinen Büchern, wenn er nicht gerade in der Produktionshalle unterwegs ist und bei seinen Mitarbeitern nach dem Rechten schaut. Jeden Samstagvormittag wird in historischen Bottichen Seife ausschließlich aus Olivenöl gesiedet. Auf Regalen liegt sie anschließend zum Trocknen aus, wird nostalgisch verpackt oder kommt lose nach Gewicht zum Verkauf.
Dem Olivenholzwidmen sich mehrere Schnitzer an verschiedenen Orten auf Korfu. Der leidenschaftlichste von allen ist wahrscheinlich Thomas Koumarakos in der Altstadt der Inselmetropole. Tom, gebürtiger Epirote vom gegenüberliegenden Festland, verbringt sechs Tage pro Woche vom Aufstehen bis zum Schlafengehen in seiner versteckt gelegenen Werkstatt, in der die Luft vom Duft des Olivenholzes geschwängert ist. Hunderte von Werkzeugen hängen an den Wänden und liegen überall herum, selbst der kleine Laden ist mehr Arbeits- als Schauraum. Hier schenkt Tom interessierten Besuchern auch schon einmal einen kräftigen Schluck epirotischen Tresterschnapses ein, demonstriert sein Handwerk und zeigt alte Fotos. Besonders lieb sind ihm Kunden, die eigene Ideen als Foto oder Zeichnung mitbringen und ihn um Realisierung bitten. Binnen drei Tagen erledigt er jeden Auftrag – Holz lagert bei ihm ja in Hülle und Fülle. Im Winter, wenn kaum Kundschaft kommt, hilft auch seine Frau in der Werkstatt mit – so wie der Mann der mit Toms Frau befreundeten, leidenschaftlichen Sandalenschusterin Mary ihr bei in der winterlichen Sandalenproduktion hilft. Er darf freilich nur die einfacheren Arbeiten unternehmen…
INFOS
Corfu Donkey Shelter: Viele gute Infos auf http://www.corfu-donkeys.com/, geöffnet tgl. 10-17 Uhr.
Seifenfabrik Patounis: Platia Sarocco/Odos I. Theotoki 9, Korfu-Stadt, http://www.patounis.gr/, Mo-Sa 9-14, Di, Do, Fr auch 18-20.30 Uhr.
Olivenholzschnitzer Tom: 3i Parodos Theotoki, Korfu-Stadt, Mo-Sa 10-21 Uhr.
Sandalenschusterin Mary: Albatros, Odos Paleologou 43, tgl. 10-22 Uhr
Reiseführer: DuMont Reistetaschenbuch Korfu/Ionische Inseln, Marco Polo Korfu, DuMont Direkt Korfu. Alle von Klaus Bötig
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