Ansichten und Reiseberichte eines Griechenlandreisenden
Von Klaus Bötig | 15.März 2012
Auf dem griechischen Festland sind die beiden Städte Thessaloniki und Ioannina die ergiebigsten Etappenziele bei der osmanischen Spurensuche. Ansonsten sind kaum noch irgendwo Moscheen erhalten. Zwei stehen am Verfassungsplatz von Nauplia auf dem Peloponnes und werden heute für Veranstaltungen genutzt. Eine davon, die Vouleftiko-Moschee, ist für Hellas sogar von historischer politischer Bedeutung: Noch während des Freiheitskampfes tagte hier zwischen 1825 und 1829 das griechische Parlament. In der anderen, heute Allilodidakterio genannt, drückten nach der Befreiung Schüler in einer der ersten freien griechischen Schulen die Schulbank. Eine frühere Moschee in Larissa dient heute als Archäologisches Museum – und Athens einzige gut erhaltene Moschee, die Tsisdarakis-Moschee gegenüber der Metrostation Monastiraki, ist heute als Museum griechischer Volkskunst gewidmet. Interessanter als innen ist sie von draußen betrachtet. Beim Bau 1759 wurden viele Spolien antiker Bauten verwendet. Ursprünglich wollte man für ihre Errichtung sogar eine der antiken Marmorsäulen vom Tempel des Olympischen Zeus sprengen und zu Kalk vermahlen. Das jedoch führte zu massiven Protesten und sogar zur Absetzung des Bauherrn, des als Woiwod amtierenden Stadtverwalters Mustafa Aga.
In Athen steht nahe dem antiken Kerameikos-Friedhof auch das einzige Museum für islamische Kunst in ganz Hellas, das zum Verbund der Benaki-Museen gehört. Es beschäftigt sich jedoch nicht speziell mit osmanischer Kunst in Griechenland, sondern ganz allgemein. So sind denn auch seine wichtigsten Objekte zwei hölzerne Türpaneele aus dem Mesopotamien des 8. Jh. und ein prächtiger Salon des 17. Jh. aus Kairo.
Ali Pascha und Ioannina
Griechenlands berühmtester Moslem ist wohl Ali Pascha, der „Löwe von Ioannina“ Er trägt Züge eines Volkshelden, denn er liebte eine Christin und erhob sich gegen den Sultan. 1741 in Trikala nahe den Meteora-Klöstern geboren, wurde er 1788 zum Pascha von Ioannina ernannt. Binnen kurzer Zeit dehnte er sein Machtgebiet gegen den Willen der Hohen Pforte über weite Teile Süd-Albaniens, Makedoniens, Thessalien und des Peloponnes aus. Ioannina und der Epirus erlebten mitsamt ihrer christlichen Bürger eine Blütezeit. Auch viele der kunstvollen Brücken in der Zagoria zwischen Ioannina und Konitsa wurden damals zur Erleichterung des Handels erbaut. 1820 erklärte ihn der Sultan zum Hochverräter. Im Januar 1822 wurde er im Kloster Agios Panteleimonas auf einem Inselchen im See von Ioannina ermordet und starb in den Armen seiner christlichen Gemahlin Kyra Vassiliki. Im Holzboden des Zimmers, in dem ihn die Kugel traf, wird noch immer das Einschussloch im Boden gezeigt – und in der Altstadt von Ioannina, dem Kastro-Viertel, birgt ein schönes Grab bis heute seine Gebeine. Nur der Schädel fehlt, denn der wurde damals dem Sultan in Konstantinopel gesandt.
Über dem Kastro-Viertel von Ioannina weht noch ein leichter Hauch von Orient. Es ist noch weitgehend von seinen osmanischen Mauern umgeben und völlig untouristisch geblieben, verkehrsarm und irgendwie unaufgeräumt. Idyllisch ins Ortsbild eingestreut sind ein großes türkisches Bad aus dem späten 17. Jh. und die 1619. erbaute Asla-Pascha-Moschee. Sie dient jetzt als Stadtmuseum und birgt neben Waffen und Dokumenten auch Trachten und Silberschmuck aus der Lebenszeit des Ali Pascha. Von der schon im 15. Jh. gegründeten Fethije-Moschee aus fällt der Blick auf den See von Ioannina, in dem der Despot einst die Protagonistin eines bekannten griechischen Volkslieds, die Kyra Frossini, mitsamt 17 anderen jungen Mädchen ertränken ließ. Sie hatte ein Verhältnis mit seinem Sohn Ali Muchtar begonnen. Postkarten mit der Darstellungen dieser Freveltat werden in Ioannina in jedem Souvenirgeschäft verkauft.
Muhamed Ali und Kavala
Letztlich erfolgreicher als Ali Pascha war ein moslemischer Kaufmannssohn aus Kavala: Muhamed Ali. 1769 geboren, machte er später Karriere in der osmanischen Militärhierarchie, wurde Statthalter von Ägypten und dem Sudan und begründete als solcher die letzte ägyptische Königshierarchie, die erst 1952 mit dem Tod König Faruks erlosch. Seiner Heimatstadt stiftete er 1817 das größte erhaltene osmanische Gebäude ganz Griechenlands, das Imaret. Diese islamische Universität und Koranschule entwickelte sich bis zum Ende der osmanischen Herrschaft zur bedeutendsten ottomanischen Bildungsstätte auf dem Balkan. Ebenso wie das nahe gelegene Geburtshaus Muhamed Alis ist es bis heute im Besitz einer islamischen Stiftung in Ägypten. Deswegen weht vor seiner Eingangstür heute noch die ägyptische Flagge. Hinein kommen allerdings nur finanzkräftige Gäste, denn das Imaret mit seinen drei an die Alhambra in Granada erinnernden Innenhöfen ist heute das wohl stimmungsvollste Luxushotels Griechenlands (www.imaret.gr), das Geburtshaus wird von ihm für besondere Veranstaltungen mitbenutzt. Dafür blieb in Kavala ein anderes einzigartiges Bauwerk aus osmanischer Zeit immer weithin sichtbar: ein mächtiges, doppelstöckiges Aquädukt, das seit 1550 in 60 m Höhe ein Tal überspannt und lange Quellwasser vom gegenüberliegenden Berg in die Altstadt leitete.
Osmanische Weltstadt Thessaloniki
Der wohl international bekannteste Sohn des osmanischen Griechenlands war Kemal Atatürk, der Begründer der modernen Türkei. Sein Geburtshaus in Thessaloniki auf dem Gelände des türkischen Generalkonsulats steht zur Besichtigung offen. Als er hier 1881 das Licht der Welt erblickte, war die nordgriechische Metropole noch die bedeutendste osmanische Großstadt Europas nach Istanbul, Türken stellten nach den Juden die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe. So sind denn auch osmanische Baudenkmäler hier trotz des großen Stadtbrands von 1917 besonders zahlreich erhalten geblieben. Hier stehen nicht nur bedeutende Moscheen wie die um 1470 errichtete Hamza Bey-Moschee, die als einzige Griechenlands einen Säulenhof besitzt, oder die um 1500 erbaute Alatsa-Imaret-Moschee, sondern auch weltliche Gebäude. Eins davon ist der Bey Hamam von 1444, der heute eine Ausstellung zum osmanischen Badewesen birgt und auch für die Präsentation moderner Kunst während der Biennale von Thessaloniki genutzt wird. Der Bezesten beherbergt unter seinen sechs Kuppeln aus dem 15. Jh. noch immer zahlreiche Geschäfte, der Yachoudi Hamam bietet in Teilen dem Blumenmarkt von Thessaloniki und einer guten Taverne Raum. Und selbst die Rotonda, im 4. Jh. als Mausoleum für den römischen Kaiser Galerius erbaut und um 400 mit prächtigen frühchristlichen Mosaiken geschmückt, präsentiert mit ihrem um 1600 angebauten Minarett Osmanisches.
Eine andere Welt: West-Thrakien
Noch ganz lebendig sind die Moscheen in West-Thrakien, wo in den Regionen um Xanthi und Komotini noch mehrere Zehntausend islamische Griechen leben und wo in Komotini bis heute islamische Imame ausgebildet werden. Doch diese Region ist ein Reiseziel für eine spätere Spurensuche zwischen Rodopen und nördlicher Ägäis…
(Der Text erschien zuerst in der Griechenland-Zeitung vom 7. März 2012)
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